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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathi Appelt
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den Wellen aus und sah zu, wie es unter Wasser sank und dabei auf der Oberfläche ganz kurz ein Muster aus vielen kleinen Quadraten hinterließ. Er wartete kurz und fing dann an, es langsam einzuziehen. Hinter ihm saß Zwei im Sand und schaute zu. Zwei wurde nicht gerne nass. Genauso wie sein Freund BF war auch Zwei kein Meerhund. Und so blieb er hinten in den Dünen, damit ihn bloß keine freche Welle erwischen konnte.
    Dogie zerrte an dem schweren Netz. Er wusste, dass sich Krabben darin verfangen hatten. Er fühlte, wie sie zappelten und zu entkommen versuchten. Aber nicht heute. Er hatte Signe versprochen, Krabben für ihr Gumbo zu fangen.
    Mondgumbo in einer blauen Mondnacht!
    „F…f…fantastisch“, hatte er zu Zwei gesagt. Er hatte lange auf diese Nacht gewartet, auf die Nacht, in der er sein Lied mit den zwei Worten für Signe singen würde. Und jetzt würde es auch noch Gumbo geben! Er hatte das Gefühl, sich sein ganzes Leben lang auf diese Nacht vorbereitet zu haben, auf diese große, wichtige, vollkommene Nacht. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, ein Lächeln so weit wie das Meer.
    Signe . Er summte sein Lied. Würde sie Ja sagen? Er summte ein bisschen lauter. Ja , dachte er, sag Ja .
    Ja, ja, ja.
    Während er das Netz näher an sich heranzog, sah er, wie die Krabben mit ihren Scheren nach den dicken Tauen schnappten. Die blauen Krabben, die diesen Küstenabschnitt bevölkerten, waren angriffslustig. Vermutlich war fast jeder, der schon einmal im Golf von Mexiko geschwommen war, von einer blauen Krabbe in den Zeh oder in die Wade gezwickt worden.
    Während er das Netz einzog, zählte er. Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn.
    Genau zehn Stück.
    Genau richtig.
    Genau passend.
    Perfekt.
    Als das Netz ganz aus dem Wasser gezogen war, drehte er es um und griff von hinten unter jede einzelne der schnappenden Krabben, löste sie und warf sie in eine große Blechwanne, die er zu einem Viertel mit Salzwasser gefüllt hatte. Zwei kam hinzu, um den Fang zu begutachten.
    „P…p…pass auf!“, warnte Dogie. Schnapp! Beinahe hätte eine Schere die Nase des kleinen Hundes erwischt.
    Voller Empörung, dass eine Krabbe ihn angegriffen hatte, rannte Zwei im Kreis um die Wanne und kläffte. „Jap, jap, jap!“
    Dogie lachte. „G…g…gehen wir, Zwei.“ Das Wasser in der Wanne schwappte von einer Seite zur anderen. Dogie wartete einen Moment, bis es sich beruhigt hatte. „G…g…großer Tag heute, K…K…Kumpel“, sagte er.
    Zwei kläffte wieder, als ob er sagen wollte, dass er das genau wisse: „Jap, jap, jap!“
    Dogie lachte wieder und antwortete in Zweis eigener Sprache: „Jap!“
    Zwei liebte es, wenn Dogie mit ihm in Hundesprache redete, auch wenn es in dieser Sprache nur ein Wort gab. „Jap“ war ein Wort für alle Gelegenheiten und verbreitete Zufriedenheit und Wohlbefinden. Zwei wiederholte es wieder und wieder und wieder, den ganzen Weg zu dem spukblauen Haus, wo Signe schon wach war und den braunen Sud rührte, aus dem ihr berühmtes Gumbo entstehen würde. Berühmt zumindest im kleinen Universum.
    Den ganzen Sommer lang hatte Dogie auf diesen Tag und diese Nacht gewartet. Wochenlang hatte er sein Lied mit den zwei Worten geübt. Zwei Worte. „Heirate mich.“ Das war alles. Ein einfaches Lied.
    Warum Dogie diese beiden Worte noch nie zu Signe gesagt hatte, war auch eine Frage, die nur der Himmel beantworten konnte. Er hatte es versucht. Aber jedes Mal, wenn Dogie sie fragen wollte, hatte er die Worte verschluckt. Sie wollten einfach nicht herauskommen. Und wenn es so aussah, als ob sie doch kämen, als ob er einfach damit herausplatzen könnte, verhedderte sich seine Zunge im Mund. Dann errötete Signe und wandte sich ab.
    Es war Mirja, die ihm eines Tages aus heiterem Himmel den Ratschlag gab. „Wenn du etwas Wichtiges zu sagen hast, dann solltest du es singen!“
    Aber natürlich! Wenn er sang, stotterte er nicht. Und er musste ja bloß zwei kleine Worte singen. „Heirate mich.“ Er würde sie singen, immer und immer wieder.
    Und jetzt?
    Jetzt war alles verdorben. Kein Gumbo und kein Lied. Nur ein langer, harter Tag voller Enttäuschung und Leid.
    Im Bett rollte sich Dogie auf den Rücken. Er fühlte, wie Zwei seine nasse Nase gegen seinen Hals drückte. Er schlug die Augen auf und blickte zum Fenster. Der Himmel war klar. Wenn ein Sturm kam, dann war er noch weit entfernt.
    Dogie schloss die Augen wieder und überließ sich der schläfrigen

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