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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathi Appelt
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Nachtluft, die sich auf seiner Brust zusammenrollte wie Zwei auf seinem Kopfkissen. „V…v…vielleicht morgen, Zwei“, flüsterte er.
    Vielleicht.
    61 Mirjas Puls raste. Endlich, endlich, endlich schien es so, als ob der Flitzer Fahrt aufnahm. Das Boot schoss förmlich auf die Rinne zu, genauso wie dieses riesige Surfbrett, das Kanone genannt wurde. Mirja beugte sich vor, als ob sie das Boot antreiben könnte. „Los doch!“, rief sie ermutigend.
    Dann traf sie eine Entscheidung. Sie hatte gerade noch Zeit für einen Wunsch. Sie kramte im Schuhkarton, bis ihre Hand eine der Holzfiguren umschloss. Es war die Wasserfrau.
    Sie liebte die kleine Wasserfrau. Eine Schürze bedeckte die üppige Brust und die Taille und einen Großteil ihres Fischschwanzes.
    Noch ehe sie ihre Meinung ändern und die Figur wieder zurücklegen konnte, holte Mirja aus und schleuderte sie mit aller Kraft ins Wasser.
    „Für dich, Mutter der Meere!“, rief sie.
    Im selben Moment, in dem Mirja das schneidende Plopp! hörte, mit dem die Figur auf das Wasser traf, landete ein schwerer Mantel des Bedauerns auf ihren Schultern. Die Wasserfrau war kein Geschöpf des salzigen Meeres, sondern lebte im Süßwasser, in einem Waldsee mitten in Deutschland. Es kam ihr irgendwie gemein vor, ein Süßwasserwesen in den salzigen alten Ozean zu werfen, denn auch wenn das Becken nicht direkt der Ozean war, so war es doch voller Salzwasser. Mirja hoffte, dass sich die Wasserfrau trotzdem wohlfühlen würde. Sie schlang die Arme um ihren Bauch und packte mit den Händen ihre Ellbogen.
    Zu ihren Füßen kauerte BF , immer noch in die Dackelgarage eingeschnürt. Captain kuschelte sich mit zerzausten Federn an ihn.
    Plötzlich erhob sich der Wind und schlug gegen das Boot, dass es anfing zu schaukeln. BF winselte. Bitte, bitte, bitte! Lass uns umkehren! Er setzte sich auf und verpasste ihrem Knie einen Flüchtikuss. Das Boot schaukelte hin und her. Mirja stützte sich auf ihn, um selbst nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und dann, einfach so, legte sich der Wind wieder.
    Mirja schaute übers Wasser, aber sie sah nichts außer den Wellen. Lauerte da etwas unter der Oberfläche?
    „Bitte sei mir nicht böse, Yemayá“, flehte Mirja. Das Letzte, was sie brauchte, war noch jemand, der sauer auf sie war, besonders jemand mit einer so großen Macht wie Yemayá.
    Mr Beauchamp hatte ihr erzählt, dass Yemayá einen Sturm heraufbeschwören konnte, wenn man sie erzürnte. Einfach so. Dabei hatte er mit dem Finger geschnippt, um seine Behauptung zu unterstreichen.
    Mirja zupfte an ihrer Schwimmweste. Sie zupfte auch an BF s Dackelgarage. Konnte Yemayá sie einfach so aus dem Boot blasen? Und was dann?
    Mirja konnte schwimmen. Sie war sogar eine ziemlich gute Schwimmerin. Jeden Sommer war Signe mit ihr ins Schwimmbad nach Tater gegangen, wo Mirja Schwimmunterricht nehmen musste. Aber in einem Schwimmbecken mit klarem, gechlortem Wasser Bahnen zu ziehen, war etwas völlig anderes als im Becken, das voller Rochen war, oder gar im offenen Meer mit den Strömungen und dem Brandungssog, den stechenden Quallen und bissigen Haien.
    Obwohl Mirja fast jeden Tag am Rand des grünen Meers entlangplantschte, obwohl sie es liebte, über die flachen Wellen zu hüpfen und mit ihnen um die Wette zum Ufer zu laufen, und obwohl sie es nicht erwarten konnte, das Surfen zu lernen, schwamm sie nur äußerst selten im Golf von Mexiko. Ein Mädchen, das mit dem Anblick der Brandung aufwächst, die vorwärtsrollt und dann machtvoll zurückgezogen wird, kennt nur zu gut die verborgenen Gefahren unter den vom aufgewirbelten Sand braun gefärbten Wellen.
    Außerdem mochte Signe die Vorstellung nicht, dass Mirja im Meer badete. Und schließlich gab es noch das Versprechen, das Mirja ihr gegeben hatte.
    Als wollten die Wellen auf der anderen Seite der Dünen Mirja an all das erinnern, erhoben sie jetzt ihre Stimmen und brüllten wie Löwen. Mirja wurde von einer mächtigen Welle der Angst überrollt. Sie packte die Ruder und zuckte zusammen, als sie die schmerzenden Blasen auf ihren Händen spürte. Autsch!
    Und dann – sie war sich ganz sicher! – hörte sie wieder ihren Namen: Mirja, Mirja .
    Ihre Mutter?
    Wer sonst sollte es sein, der sie da vom Meer aus rief? Sie griff nach dem Glücksbringer, der so kalt war wie ein Wassereis, nein, noch kälter. Aber die eisige Scheibe spendete ihr keinen Trost.
    „Wer sonst sollte das sein?“, fragte sie BF .
    Und dann, ganz plötzlich, dämmerte es

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