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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathi Appelt
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Fischerhütten, die niemand mehr benutzte. Irgendwann fuhr das Meer unter sie, hob sie auf und trug sie davon.
    Erst ein Baum, dann ein Haus und schließlich Lorelei. Das Stück Holz hatte drei verschiedene Leben gehabt. Mirja fand ihre Lorelei wunderschön. Warm lag sie in Mirjas Hand. Mirja drückte sie an ihre Wange.
    Machte man das nicht, wenn man jemanden liebte? Die Hand an die Wange legen? Signe machte das oft bei Mirja.
    Noch ehe Mirja darüber nachdenken konnte, legte sie Lorelei in das dunkle Wasser neben dem Boot. „Schwimm!“, flüsterte sie.
    Mirja konnte die winzige Figur, die auf den mondbeschienenen Wellen auf und ab schaukelte, kaum erkennen. Jetzt hatte sie nur noch zwei Figuren übrig, eine in dem Schuhkarton und die andere in ihrer Hosentasche. Sie schluckte. Zwei Figuren. Das war nicht viel. Sedna, der Ningyo, die Sirene und die Wasserfrau waren fort. Und jetzt auch Lorelei.
    Noch einmal rief sie Lorelei nach: „Schwimm zu Yemayá!“
    Zur Königin der Meere.
    64 Ganz plötzlich …
    Wusch! Als ob der Kanal das Boot verschlucken wollte, wurde der Flitzer von der Strömung nach rechts gezogen, geradewegs in die Mündung des Kanals.
    Endlich, endlich, endlich! , dachte Mirja.
    Sssswusch!
    Peng! Das Boot stieß gegen einen Widerstand. Mirja wurde nach hinten geschleudert. Sie lehnte sich nach links, um den Bug neu auszurichten, sodass er wieder in die Mitte des Kanals wies.
    Das Boot knarrte, als es erst an die eine Seite des Kanals schrammte und dann an die andere. Mirja rappelte sich wieder auf die Beine und zog die Hände vom Dollbord weg, damit sie nicht zwischen dem Boot und den Felsen rechts und links des Kanals eingeklemmt wurden. Das Wasser, das seit ewigen Zeiten hin und her strömte, hatte die Felsen glatt poliert. Die Schichten aus Kalkstein schimmerten im Licht des blauen Mondes.
    BF drückte sich an ihre Waden. Er zitterte. Oder war sie es, die zitterte? Mirja presste die Zähne zusammen, um zu verhindern, dass sie klapperten.
    Der Flitzer war: Das. Beste. Boot. Aller. Zeiten. Dogie hatte jedes kleinste Stückchen überarbeitet, bis hin zur letzten Planke. Mirja zweifelte nicht daran, dass es sie sicher zur Sandbank tragen würde, die ja nur hundert Meter von der Küste entfernt war. Die Sandbank würde in ihr Blickfeld rücken, wenn sich die Flut wieder zurückzog – und sie mit hinaus aufs Meer nahm.
    Punkt I lief ganz wunderbar!
    Mirja war plötzlich ganz aufgeregt. Ohne nachzudenken, schrie sie: „Hier komme ich!“ Der Schrei verlieh ihr Mut und Selbstvertrauen. BF s Schwanz klopfte auf den Boden des Bootes. Ein fröhliches Geräusch. Sie öffnete den Mund zu einem weiteren Schrei, als …
    Krach! Der Bug senkte sich und verkeilte sich irgendwo unter Wasser. Mirja kippte nach vorn und stieß hart gegen den Sitz vor ihr. Sie konnte sich gerade noch mit den Händen abfangen, bevor sie mit dem Gesicht gegen die hölzerne Bank prallte.
    Wasser sickerte über die Seiten ins Boot. Mirja hievte sich wieder hoch, wobei sie sich alle Mühe gab, nicht auf BF zu fallen.
    Sie zog ein Ruder unter der Bank hervor und drückte mit dem Blatt gegen die felsige Rinne. Sie legte viel Kraft in den Stoß, aber sie hatte nicht die richtige Position, um das Boot wieder nach oben zu schieben. Sie verstaute das Ruder wieder und drückte mit den bloßen Händen gegen den Stein, wobei ihre wunden Handflächen noch weiter aufrissen. Das Salzwasser brannte wie Feuer in den Wunden.
    Der Flitzer rührte sich, allerdings kaum merklich. Mirja drückte, so fest sie konnte. Und dann, genauso schnell, wie es stecken geblieben war, sprang das Boot wie ein Korken wieder nach oben. Diesmal wurde sie nach hinten geschleudert. Das Wasser, das sich im Boot gesammelt hatte – es waren nur zwei oder drei Zentimeter – schwappte vom Bug ins Heck.
    Sie musste das Boot irgendwie ausschöpfen. Aber kaum hatte sie das gedacht, war sie draußen, hatte den Kanal hinter sich gelassen. Hurra!
    Das Boot schoss in die Brandung und schaukelte auf und ab. Mirja schaute zurück, aber sie konnte den Kanal nicht mehr sehen, nur noch das Wasser, das aus dem Becken hinter ihr strömte und sie auf De Vacas Felsen zuschob.
    „Wir haben es geschafft!“, schrie sie. „Juchu!“
    Sie genoss ihren Sieg in vollen Zügen.
    65 Der Flitzer sauste im Kielwasser der fallenden Flut aus dem Kanal und hinein in den Golf, schnurstracks auf die Sandbank zu. Dort tummelten sich die Rochen in der machtvollen Strömung. Wie viele es waren? Hunderte?

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