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Das Meeresfeuer

Das Meeresfeuer

Titel: Das Meeresfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zerstören. Hätte
er es doch nur getan! Nach einer Weile hörte das Schießen auf,
und auch die Schreie verklangen allmählich. Und schließlich
näherten sich Schritte der Tür.
Mike wich automatisch bis an die gegenüberliegende Wand
zurück, als er hörte, wie der Riegel draußen zurückschoben
wurde. Eine Woge stickiger, heißer Luft und flackernder
Feuerschein fielen in die Kabine, so daß er die beiden Männer,
die zu ihm hereinkamen, im ersten Moment nur als
schattenhafte Umrisse erkennen konnte. Dann packte ihn einer
der beiden grob am Arm und stieß ihn derb vor sich her auf den
Gang hinaus.
Das erste, was Mike bewußt wahrnahm, nachdem er die
Kabine verlassen hatte, war Serena. Sie war zwar bleich vor
Schreck, und ihr Gesicht war voller Ruß, aber sie war
unverletzt. Mike wollte erleichtert auf sie zutreten, aber der
Mann, der ihn aus der Kabine gezerrt hatte, hielt ihn mit einer
ärgerlichen Bewegung zurück, so daß Mike es bei einem
Lächeln in Serenas Richtung beließ, ehe er sich herumdrehte
und in die entgegengesetzte Richtung sah.
Der Korridor bot einen furchterregenden Anblick. Irgend
etwas brannte und verbreitete flackernde rötliche Helligkeit und
eine erstickende Hitze. In der Decke gähnte ein fast metergroßes
Loch, aus dem eine zähe Flüssigkeit tropfte, die auf dem
glühenden Boden darunter zu Dampf verzischte, und hinter dem
wallenden Rauch konnte Mike die reglosen Gestalten von
zwei
Soldaten erkennen, die am Boden lagen. Sämtliche Türen
standen offen. Er entdeckte Singh, Chris, Ben, Juan und
schließlich Trautman, der von einem Mann grob aus seiner
Gefängniszelle gezerrt wurde. Alle sahen zutiefst entsetzt aus,
aber trotzdem begriff Mike, daß ein kleines Wunder geschehen
war – keiner von ihnen war ernsthaft verletzt worden. Das
Benehmen der bewaffneten Männer, die sie aus ihren Kabinen
zerrten, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie noch
immer Gefangene waren. Einer von ihnen hatte Singh, der wohl
versucht hatte, sich zu wehren, mit einem Kolbenstoß zu Boden
geschleudert, die anderen trieben sie jetzt mit vorgehaltenen
Gewehren zusammen.
Überhaupt – sie benahmen sich nicht nur nicht so, wie sich
Mike britische Marineinfanteristen vorgestellt hatte, sie sahen
auch nicht so aus. Anstelle von Uniformen trugen sie ein buntes
Durcheinander von gestreiften Hemden, Hosen, fleckigen
Pullovern und den verschiedensten Uniformteilen, die zum Teil
nicht einmal derselben Nationalität entstammten, und bewaffnet
waren sie mit einem wahren Sammelsurium moderner, aber
vollkommen unterschiedlicher Gewehre. Was ging hier vor?
Sie wurden grob den Gang entlang und dann die eiserne
Treppe zum Oberdeck des Schiffes hinaufgetrieben, und wohin
Mike auch sah, erblickte er überall neue Spuren von immer
größerer Zerstörung. Es schien buchstäblich keinen Meter an
Bord des Kreuzers zu geben, der nicht in Mitleidenschaft
gezogen worden war. Überall brannte es, überall erblickte er
verbogenes, zerrissenes Metall, und er sah Dutzende von
Verletzten, vielleicht auch Toten.
In Mikes Hals saß ein bitterer, harter Kloß, und er kämpfte mit
den Tränen. Obwohl dieser entsetzliche Krieg seit anderthalb
Jahren tobte und allmählich die ganze Welt in Brand zu setzen
schien, hatten sie bisher doch so gut wie nichts davon selbst
miterlebt. Sicher, sie hatten die schrecklichen Nachrichten aus
allen Teilen der Welt aufmerksam verfolgt, aber sie hatten es
aus sicherer Entfernung getan, und es war ein großer
Unterschied, davon zu hören oder es zu sehen. Mike lernte in
diesen Momenten etwas, was er nie wieder im Leben vergessen
sollte. Sie hatten in der Schule über die Kriege und Feldzüge der
Vergangenheit geredet, und er hatte mit Trautman viel über
diesen bisher größten Krieg gesprochen, und er war auch
entsetzt gewesen. Und trotzdem, trotz allem hatte er bei all
diesen Berichten und Erzählungen immer eine gewisse Faszination verspürt, und er hatte sich dieses Gefühles nicht
geschämt. Das Wort Krieg hatte in ihm stets Bilder von
gewaltigen Schlachten heraufbeschworen, von tapferen Helden,
die todesmutig und mit einem siegessicheren Hurra auf den
Lippen dem Feind gegenübertraten, es hatte einen Geruch von
Abenteuer und heroischen Taten gehabt.
Nichts von alledem war Wirklichkeit. Es gab auf diesem
Schiff keine Helden, keine tapferen Krieger und heroische
Taten, und wahrscheinlich gab es sie nirgendwo, auf keinem
Schlachtfeld der Welt und in keinem Krieg. Es gab nur Tod,
Grauen und

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