Das Meeresfeuer
Schiff
zum Vibrieren brachte. Es war noch nicht lange her, da hatte er
dieses Geräusch schon einmal gehört, wenn auch aus größerer
Entfernung.
Die Geschütze der HALLSTADT hatten das Feuer eröffnet.
Mikes Gedanken begannen sich zu überschlagen. Das Schiff
feuerte. Aber worauf? Weshalb? Hatte Ben am Ende recht
behalten, und die beiden Kriegsschiffe lieferten sich nun einen
verbissenen Kampf um die NAUTILUS?
Die HALLSTADT erbebte wie unter einem Hammerschlag,
allerdings eines Hammers, der nicht viel kleiner als das Schiff
selbst sein konnte und von Poseidon selbst geführt wurde. Ein
trommelfellzerreißendes Kreischen und Dröhnen marterte
Mikes Ohren und ließ ihn mit einem Schrei zurücktaumeln.
Eine Sekunde später wurde er von den Füßen gefegt und prallte
so heftig gegen die Rückwand der Kabine, daß er buchstäblich
Sterne sah, aber erst, als das Schiff zum dritten Mal wie eine
gigantische Glocke zu dröhnen begann und er das Kreischen
von zerreißendem Metall hörte, begriff er wirklich, was
geschah. Sie waren getroffen worden. Die GRISSOM hatte das
Feuer erwidert, und ihre Geschützmannschaften schienen zu
halten, was man sich über britische Kanoniere erzählte. Das
Schiff zitterte und bebte, legte sich so weit auf die Seite, daß
Mike erneut zu Boden geworfen wurde. Auch die Geschütze der
HALLSTADT feuerten jetzt wieder, aber Mike zählte nur zwei
Schüsse, dann wurden sie abermals getroffen.
Und diesmal mußte es wohl eine volle Breitseite der
GRISSOM sein, die in Rumpf und Deck des deutschen
Kreuzers einschlug.
Die nächsten Minuten wurden zu einem Alptraum, der einfach
kein Ende nehmen wollte. Treffer auf Treffer schüttelte die
HALLSTADT. Das Kreischen von zerberstendem Metall, der
Lärm der Explosionen, die Schreie und die furchtbaren Stöße,
die den Boden unter ihm wie ein bockendes Pferd hin und her
springen ließen, vereinigten sich zu einem schier
unvorstellbaren Chaos. Mike lag gekrümmt in einer Ecke seiner
Kabine und hatte beide Hände gegen die Ohren gepreßt, aber es
nutzte nichts. Er schien den Lärm weniger zu hören, als
vielmehr mit dem ganzen Körper wahrzunehmen. Die Luft war
plötzlich stickig und heiß, er hörte das Prasseln von Flammen
und spürte den stechenden Geruch von glühendem Metall. Er
hatte Angst wie nie zuvor in seinem Leben.
Und dann, ganz plötzlich, hörte es auf. Die letzte Explosion
verklang, und eine fast unheimliche, atemlose Stille breitete sich
über dem Schiff aus. Trotzdem blieb Mike noch eine volle
Minute reglos am Boden liegen, ehe er es schließlich wagte,
sich ganz langsam aufzurichten. In seinen Ohren dröhnte es,
und der Brandgeruch war so intensiv geworden, daß er den
Hustenreiz kaum mehr unterdrücken konnte. Mindestens eine
der Granaten mußte in unmittelbarer Nähe eingeschlagen sein.
Das Schiff brannte, das war klar. Und es hatte eine deutliche
Schlagseite. Vielleicht, dachte Mike, sinkt es bereits, und er
würde hier drinnen jämmerlich ertrinken, eingesperrt in ein
Gefängnis, das unversehens zur Todeszelle geworden war.
Zögernd trat er an die Tür und rüttelte ein paarmal daran. Sie
rührte sich nicht. Die HALLSTADT war wahrscheinlich kaum
noch mehr als ein brennendes Wrack, aber er war immer noch
gefangen. Zumindest konnte er jetzt wieder etwas hören. Das
Rauschen und Klingen in seinen Ohren verebbte ganz
allmählich, und er begriff jetzt, daß es niemals still gewesen
war. Im Gegenteil: Durch die Tür drangen Schreie und andere
schreckliche Geräusche zu ihm, und dazwischen hörte er immer
wieder Schüsse, auch ein paarmal das Hämmern eines
Maschinengewehrs, was bewies, daß der Kampf noch lange
nicht vorbei war.
Mike fragte sich, was mit den anderen geschehen war. Sie
waren alle auf demselben Korridor untergebracht worden. Der
Gedanke, daß einer seiner Freunde vielleicht nicht mehr lebte,
machte ihn ganz krank. Was für ein Wahnsinn! dachte er. Und
das alles nur wegen eines Schiffes! Es spielte überhaupt keine
Rolle, wer zuerst geschossen hatte – ob nun die Deutschen auf
die Engländer oder umgekehrt, aus den Männern, die etwas so
Großartiges vollbracht hatten, ihre Feindschaft zu überwinden
und vereint gegen einen gemeinsamen Gegner vorzugehen,
waren binnen einer einzigen Sekunde wieder Todfeinde
geworden, die einander gnadenlos umbrachten, nur um in den
Besitz der NAUTILUS zu gelangen. Es war dieser Moment, in
dem Mike zum allerersten Mal wirklich begriff, warum
Trautman vorgehabt hatte, die NAUTILUS zu
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