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Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht

Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht

Titel: Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt <München>
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konnten. Weil früher außerdem die Frauen brav die Hausfrauen- und Pflegerolle ausfüllten, war das Problem »gedeckelt«. Wenn aber 40-jährige Managerinnen plötzlich ihren Vater pflegen müssen (oder wollen), bedeutet dies entweder eine gewaltige Vernichtung von Produktivität und ein Handicap für die ganze Gesellschaft. Oder aber individuelle Not und Verzweiflung steigen.
    Validation ist eine Soziotechnik, die eine in diese Richtung zielende Angst vielleicht mindern kann, Angst vor dem Älterwerden, der Zukunft generell. Validation ist ein gutes Beispiel dafür, wie Probleme der modernen Welt eben nicht durch Technologie oder Geld gelöst werden (obwohl in diesem Fall das Internet eine wichtige Rolle spielte, weil meine Großcousine mich googeln lassen konnte; sonst wären ihre Sütterlin-Briefe nie angekommen), sondern
durch ein neues In-Beziehung-Setzen von Menschen. Validation ist kreative Kooperation auf den Punkt gebracht.
    Das Beispiel Validation zeigt auch, dass reale Fortschritte nicht immer einer »heroischen Utopie« bedürfen. Gute Soziotechnik ist postheroisch, sie lässt das »Aufopfern« und »Kämpfen bis zuletzt« hinter sich. »Bis zuletzt kämpfen« tun heute Intensivmediziner oder Manager, die dabei sind, ihre Firma in den Sand zu setzen. All dies sind letztlich Strategien der Angst. Weiter kommen wir mit einer klugen Strategie des Rückzugs, des Loslassens, der Akzeptanz. Neue Kooperationssysteme, neues Vertrauenskapital entsteht nicht durch das Geschnatter der Betroffenheit, der Krise, des Skandals und der »großen Lösung«. Eine neue Wirklichkeit entsteht dann, wenn wir die Welt aus einer überraschenden Perspektive sehen lernen.
    Wir Superkooperateure
    In der virtuellen Abenteuerwelt des Computerspiels World of Warcraft, die ich seit vielen Jahren mit meinen Söhnen bereise, gibt es viele Situationen, in denen es auf Gemeinsamkeit und Verbindlichkeit, auf soziale Regeln ankommt. Den großen Drachen, das ganz große Monster erlegen wir nur, wenn wir zusammenarbeiten. Die soziale Welt von WOW ist strukturiert durch Freundeskreise, Cliquen und »Gilden«, die sich teilweise auch im realen Leben kennen. Die Gilden schaffen jenes Gerüst der Verbindlichkeit, das eine riesige Spielergemeinschaft entstehen ließ.
    Vor einiger Zeit wurde jedoch in diesem virtuellen Märchenland eine neue Software-Applikation eingeführt, die die Gruppen für die »heroischen Dungeons« – die besonders schwierigen und spannenden Kampfzonen – nach einem reinen Zufallsprinzip zusammenstellte. Während man früher mühsam und zeitraubend nach Mitstreitern suchen musste, die mit einem in die Schlacht zogen, ja regelrecht um sie werben musste, wurden sie einem nun völlig zufällig zugeteilt. Die Avatare (hinter denen immer reale Spieler stecken) hatten sich noch nie gesehen oder miteinander agiert. Von einer Sekunde auf die andere sollten sie in Gefahrenmomenten sehr eng kooperieren.

    Die Konsequenz des neuen Tools war verheerend. Wochenlang brachen alle Gruppen kurz nach Beginn wieder auseinander, wenn einer auch nur den kleinsten Fehler machte. Man beschimpfte sich gegenseitig ohne Unterlass als »nerd«, »geek« und »f…er«, beleidigte sich auf die übelste Weise und ließ den Überlegenen raushängen. Die Soziokultur des Spiels starb den virtuellen Tod.
    Die Verwandtenselektion (peer selection) funktioniert auch im Cyberspace. Menschen kooperieren nur unter bestimmten Rahmenbedingungen. In einer Massengesellschaft dämpfen Höflichkeitsregeln die Aggressionen in jenen öffentlichen Räumen, in denen Fremde aufeinandertreffen. In einem virtuellen Spiel jedoch fällt diese soziale Kontrolle weg. Hier kann man richtig die Sau rauslassen. Hier hat man kaum Konsequenzen für seine Handlungen zu tragen.
    Aber Massively Multiplayer Online Role-Playing Games, kurz MMORPGs, bilden menschliche Gemeinschaften auch mit ihren Lernmöglichkeiten ab. Und deshalb war der Niedergang nicht von langer Dauer. Nach einigen Monaten entwickelte sich in den Zufallsgruppen wieder eine »Netiquette«. Soziale Höflichkeitsregeln wurden eingeklagt und plötzlich auch erzwungen. Wer sich nun in einer Zufallsformation rüde und beleidigend verhielt, wurde »abgemahnt« und recht schnell aus der Gruppe gekickt (man kann geheim darüber abstimmen). Die Kooperateure setzten sich evolutionär gegen die Betrüger durch.
    Martin A. Nowak, ein Biologe und Mathematiker, hat sich dem Feld der »evolutionären Soziodynamik«, das sich in

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