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Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht

Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht

Titel: Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt <München>
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wir – aufgrund der Schleifenbewegungen der Megatrends – immer individueller und zugleich gemeinschaftlicher, langlebiger und empfindlicher, spezialisierter und kooperativer werden?
    Menschen unterscheiden sich in einem entscheidenden Punkt von Tieren. Tiere reagieren in vielfältiger Weise auf ihre Umwelt, sie sind sogar »erfinderisch« und bis zu einem gewissen Grade innovativ (Kraken können lernen, Flaschenverschlüsse zu öffnen, Schimpansen üben mit Stöcken). Aber Menschen können Wissen an ihre Nachkommen weitergeben. Sie können irren, und sie können erkennen, dass sie sich irren. Und sie teilen Irrtümer und Erkenntnisse mit anderen. Der Anthropologe Clifford Geertz schrieb vom Menschen als »unfertigem Tier«. »Seine Fähigkeit besteht nicht so sehr darin, dass er lernen kann – so wunderbar diese Fähigkeit ist. Sondern dass er herausfinden kann, was er lernen muss, bevor er funktionieren kann.« 2
    Menschen waren auf diesem Planeten nicht nur erfolgreich, weil sie Werkzeuge benutzen oder Bauten errichten – das tun auch Termiten und Vögel. Vernunft, Sprache und Gedächtnis, schließlich Schrift und Bild ermöglichten dem Menschen aus dem »Hier und
Jetzt« der Tierwelt herauszutreten. Wir errichten soziale Gerüste um uns herum, Systeme aus Kommunikation und Kooperation. In dieser Umgebung können sich Ideen, Erfindungen, aber auch Verhaltensmuster viel schneller durchsetzen als auf dem langsamen Weg der evolutionären Selektion.
    Menschliches Handeln umfasst Organisationsformen und soziale Handlungsweisen, und wenn beide ineinander greifen, entstehen hohe Grade von Komplexität. Kein Individuum kann ein Flugzeug bauen (noch nicht einmal einen Toaster). Keine Firma allein könnte Flugzeuge starten und landen lassen. Dafür benötigt man Metaorganisationen wie den Staat, der sich wiederum mit anderen Staaten koordiniert, um Flugrouten zu garantieren, technische Normen durchzusetzen. Es braucht aber auch soziale Verhaltensweisen. Wir denken nicht darüber nach, welche Kulturleistung darin besteht, sich in einem Flugzeug mit völlig fremden Menschen auf engstem Raum einer lebensgefährlichen Situation auszusetzen. Schon sich am Flughafen in eine Schlange zu stellen, sich durch piepsende Geräte zu begeben und abtasten zu lassen, ist nichts, was man Schimpansen selbst unter höchstem Bananeneinsatz beibringen könnte.
    Warum prügeln wir nicht schreiend aufeinander ein, wenn wir im Flugzeug sitzen? (Also gut: Das kommt bisweilen vor, und nicht selten spürt man den Drang dazu.) Weil unsere Fähigkeit zum Koexistieren und Kooperieren unglaublich robust ist – obwohl wir uns immer gegenseitig vom Gegenteil vorjammern. Unsere Zivilisation verkraftet eine Menge Individuen, die sich nur zeitweise oder gar nicht kooperativ verhalten. Man kann sich, anders als in der Jäger-und-Sammlerzeit, mit Chips und Bier dauerhaft vor den Fernseher setzen und wird trotzdem nicht verhungern. Wir können in unserem Alltag eine ganze Menge Fehler machen – den falschen Partner heiraten, tonnenweise CO 2 erzeugen, Kunden wertlose Papiere verkaufen –, ohne dass es uns direkt und sofort an den Kragen geht. Wir sind so schlau, dass wir sogar dumm sein dürfen!
    Aber diese Reserven sind nicht unbegrenzt. Das feine Geflecht der sozialen Übereinkünfte muss immer aus Neue geknüpft werden.
Der Neurowissenschaftler António Damásio spricht von einem »Übergang von erzwungener Macht zur Macht der Überzeugung«, in dem wir uns heute befinden. 3 Aus einer Welt der Abhängigkeiten wird eine Welt der Entscheidungen. Aus einer Welt der Bindungen eine Welt der Gestaltungen. Aus einer Welt der Eindeutigkeit eine Kultur der Vielfalt. Für diesen Wandel zum Komplexeren, in dem die Megatrends eine wichtige Rolle spielen, brauchen wir dringend neue Soziotechniken.
    Der Faktor Angst
    Zunächst scheint das Beispiel der Validation in diesem Kontext ziemlich belanglos: Wie bedeutsam für die Zukunft soll es schon sein, wenn wir den Alten und Verwirrten ein wenig besser zuhören?
    Das entscheidende (negative) Element in diesem Zusammenhang ist die Angst. Angst ist ein effektiver Vernichter von Sozialkapital. Wenn Menschen unter Angst handeln, handeln sie unterkomplex, kontraproduktiv, asozial. Angst kann ein Gemeinwesen zerstören, zumindest aber unproduktiv machen.
    Schrecken und Wunder des höheren Alters waren in der alten Industriegesellschaft eher Randthemen. Es gab wenige Menschen, die so alt wurden, dass sie Demenz entwickeln

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