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Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht

Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht

Titel: Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt <München>
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Erkenntnisse generieren können. Dabei erfordern immer größere Gruppen immer raffiniertere Regelsysteme. Was in der kleinen, überschaubaren familiären Gesellschaft genügte und funktionierte, ist in großen, vernetzten Gruppen wie »Nationen« völlig unterkomplex. Was in der Industriegesellschaft
einen verlässlichen Rahmen von (Selbst-)Steuerung garantierte, ist in einer globalen Connectivity-Welt unzureichend.
    Heute stehen wir deshalb vor einer dritten Komplexitätsstufe menschlicher Kooperation. Nach dem »Tit for tat«, mit dem alle Gesellschaften beginnen, und der »institutionell moderierten Gegenseitigkeit« suchen wir nach einem neuen Modus des Zusammenlebens. In den hyperkomplexen Gesellschaften der globalen Moderne müssen wir den Aspekt der indirekten Gegenseitigkeit massiv erhöhen. Wir brauchen raffinierte Rückkopplungen, neue Verschränkungen von Individuum und Gemeinschaft, die die Freiheit bewahren, ohne die Egoismen zu begünstigen. Wie kann das gehen? Welche modernen Steuerinstrumente stehen einem offenen Gemeinwesen zur Verfügung, um den Grad der kreativen Kooperation zu erhöhen?
    Eine neue Kultur der Verantwortung
    Stellen wir uns vor, wir bekämen von unserem Arzt eine E-Mail mit folgendem Inhalt:
    »Lieber Herr X,
    Sie waren in den letzten Monaten einige Male in meiner Praxis. Das hat mich sehr gefreut, und ich hoffe, ich konnte ihrer Gesundheit zuträglich sein. Jetzt müssen wir über die Kosten sprechen. Wir haben bei der Heilbehandlung folgende Ressourcen genutzt:
    Medizinische Materialien
567 €
Medikamente
122 €
Technische Services (Röntgen, Bluttest)
234 €
Untersuchung, Gespräch und Diskussion
570 €
    Wie ich auf Ihrem File sehen kann, haben Sie einen Gesundheitskontrakt nach der B3-Klasse. Das heißt, Sie können einige der genutzten Dienstleistungen privat subventionieren und erhalten so Ihren jährlichen Bonus. Es besteht auch die Möglichkeit, einen individuellen Zuschuss an das örtliche Health Center zu überweisen und dadurch die Rechnung um diesen Betrag zu reduzieren. Ich schlage vor, dass Sie den zusätzlichen PSA-Test selbst übernehmen, weil es sich dabei um eine von uns beiden entschiedene Vorsichtsmaßnahme
handelt. Bitte voten Sie unter diesem Link. Den Restbetrag werde ich mit dem staatlichen Provider verrechnen.
    Ich hoffe, ich sehe Sie demnächst wieder, aber nur zum Checkup!
    Ihr Doktor Soundso.«
    Oder stellen wir uns vor, unser Finanzamt sendet uns am Jahresende folgenden Brief (oder E-Mail):
    »Lieber Finanzkunde,
    Wir können Ihnen die frohe Botschaft überbringen, dass Sie in diesem Jahr Steueroptionen von 12 500 Euro für nationale und regionale Zwecke erworben haben! Wir möchten Sie nun bitten, diesen Betrag zu validieren. Bitte geben Sie eine Prozentzahl für jeden der möglichen öffentlichen Bereiche an. Und teilen Sie uns mit, auf welcher Website wir Ihre Bonusgabe öffentlich machen sollen:
    Straßen und Verkehrsinfrastruktur
    Modulare Energienetz-Initiative
    Ihre lokale Schule
    Das Transfernetz für Hilfsbedürftige
    Offensive Gesundheits- und Glücksvorsorge
    Der Umweltrat der Gemeinde
    Entwicklungsprojekte in Afrika.«
    Natürlich ist so etwas unvorstellbar. Viel zu kompliziert. Und auch noch sozial gefährlich! Wo kämen wir hin, wenn wir über die Verwendungszwecke unserer Steuern abstimmen könnten? Alle würden nur das Minimum geben, vor allem die Reichen. Die Mittel würden nicht zu den Bedürftigen fließen, sondern zu Institutionen, die geschickt werben oder irgendwie »sexy« sind.
    Der Philosoph Peter Sloterdijk hat mit der Idee der »Steuerspende« einen klassischen Feuilletonskandal hervorgerufen. Er stellte öffentlich die Forderung auf, Reiche müssten selbst entscheiden, wie viel Steuer sie an den Staat bezahlen. Ein Sturm der Entrüstung war die Folge, bis hin zu Hasstiraden von Professoren, die (wieder einmal) den endgültigen neoliberalen Untergang des Abendlandes kommen sahen. Aber an der Provokation bleibt etwas dran: Wenn wir das uns umgebende Gesellschaftssystem nur noch
als Zwangssystem wahrnehmen, wird es früher oder später zerfallen. Steuern zahlen ist eine genuine Soziotechnik der indirekten Kooperation. Wenn sie zu einem reinen Zwangsadministrationsakt verkommt, stimmt etwas nicht an unserem Gemeinwesen.
    Wir denken uns den Staat in der Nachfolge von Thomas Hobbes gern als »Leviathan«, als Allmacht, die uns gefälligst vor vielem Schrecklichen zu schützen hat. Die wir aber auch unentwegt hassen und

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