Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
Online-Spielen so wunderbar abbilden lässt, seit vielen Jahren zugewandt. In seinem Schlüsselbuch »Supercooperators« beschreibt er, was Menschen nach welchen Mustern dazu bringt, zu kooperieren – oder sich gegenseitig zu bekämpfen, zu bekriegen, zu übervorteilen. 4 Im Grunde beginnt alles mit einer einzigen Frage: kooperieren oder betrügen? Das »Gefangenendilemma«, ein zentrales Spiel der angewandten Spieltheorie, exerziert diese menschliche Ur-Situation durch. Ergebnis: Wenn zwei Spieler miteinander kooperieren, wird ihr gemeinsamer Gewinn erheblich sein. Größer ist der
Gewinn des Einzelnen, wenn er den anderen verrät und betrügt. Wenn beide sich gegenseitig verraten und betrügen, ist der Gewinn für beide klein oder negativ.
Ob wir Steuern hinterziehen, fremdgehen, den Nachbarn verklagen oder unseren Partner mit Jammergehabe zu etwas bringen wollen – immer spielen wir eine Art »Gefangenenspiel«. Kooperation bringt meistens Vorteile. Aber wir wissen das nicht so genau. Und deshalb verfolgen wir öfter die Strategie der »Maximierung«. Wir testen. Wir probieren aus, wie weit wir gehen können.
Die Spieltheorie hat menschliches Verhalten innerhalb von Systemen in den letzten Jahren immer wirklichkeitsnäher zu simulieren vermocht. Computer dienen dabei als »Evolutionsgeneratoren«, mit deren Hilfe das Verhalten von Menschen millionenfach durchgespielt wird.
Warum – und auf welche Weise – sind Menschen »Superkooperateure« oder können es zumindest werden? Den biologisch-evolutionären Aspekt können wir heute mittels Hirnforschung und Evolutionärer Psychologie beantworten. Menschen kooperieren, weil sie als Spezies mit der Fähigkeit und Notwendigkeit der Empathie ausgestattet wurden. Mitgefühl und Kooperation sind in unser Wesen eingraviert, denn sie bieten einen evolutionären Vorteil. Erst wenn wir mit dem Rücken zur Wand stehen, schalten wir auf das allerletzte Überlebensprogramm um, das »Du oder Ich«-Programm.
Die andere Dimension des Kooperativen im Menschen ist das, was Nowak in seinem Werk als »indirekte Gegenseitigkeit« (indirect reciprocity) bezeichnet. Menschen kooperieren nicht nur in direkten Abwägungsspielen, bei denen sie das Verhalten des Gegenübers einschätzen. Sie tun es auch durch das Beobachten Dritter oder weil sie selbst beobachtet werden. Wir eifern Vorbildern nach und sind als soziale Wesen von Reputation abhängig.
Die »Standardeinstellung« menschlichen Sozialverhaltens besteht in einem in allen Kulturen bekannten »Wie du mir, so ich dir« (englisch »tit for tat«). Diese »direkte Reziprozität« genannte Regel bildet quasi die zivilisatorische Grundformel: Menschen bieten
Kooperation an, weil sie sich davon Vorteile versprechen. Wenn sie nicht enttäuscht werden, kooperieren sie weiter. Werden sie enttäuscht, betrügen sie zurück. Auge um Auge. Man muss nur Kinder beim Spiel beobachten. Eskalation entsteht immer im »Wie du mir ...«.
»Tit for tat« ist auch jene Strategie, die sich zunächst in allen Computermodellen durchsetzt, die menschliches Sozialverhalten simulieren. Im Prinzip kann das endlos so weitergehen. Aber nur, wenn das System keine Fehler macht. Im realen Leben jedoch kommt es immer einmal zu Irrtümern, Missinter pretationen, Nachlässigkeiten, Angstüberschüssen. Dann kippt das System, wenn allein die Tit-for-tat-Regel gilt, in einen Kampf aller gegen alle um.
Wenn Menschen im Verlauf ihrer Geschichte nicht gelernt hätten, das reine »Wie du mir« zu modifizieren, wären wir längst ausgestorben. Religionen haben auf vielfältige Weise zu komplexerem Verhalten beigetragen. Indem sie die Tit-for-tat-Regel um das »Verzeihen« erweiterten oder um die Dimension des Transzendenten, sorgten sie dafür, dass nicht jeder Konflikt zum Streit, nicht jeder Streit zum Krieg, nicht jeder Krieg zum Vernichtungskampf wurde. Religionen und Rituale sorgen für »Rekursionsschleifen« in den Spielzügen menschlicher Gemeinschaften.
Was wir die letzten Jahrtausende in praktisch allen menschlichen Sozialsystemen gespielt haben, war konditionale Gegenseitigkeit. Wir haben gelernt, uns nicht unter allen Bedingungen gegenseitig den Schädel einzuschlagen. Wir haben soziale Systeme entwickelt, die via Gerichtsbarkeit, erzwungenen Regeln, Ritual, Moral und Verhandlung Kooperation moderierten.
Superkooperateure sind wir, so Nowak, weil wir als Menschen die verschiedenen Möglichkeiten der Kooperation variieren und daraus neue Erfahrungen und
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