Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
Erfahren, Erleben, Ausprobieren, also letztlich freie Entscheidung entstehen, werden sie beim nächsten Stimmungsumschwung wieder abgeschafft.
Hans Monderman war in den achtziger Jahren Verkehrssicherheitsbeauftragter in der niederländischen Provinz Friesland. Ihn bekümmerte die relativ hohe Zahl von Unfällen, bei denen alte Menschen und Kinder zu Schaden kamen, obwohl eine Vielzahl von Hindernissen und Beschränkungen den Autoverkehr regelten. Also versuchte Monderman, den Verkehr im Dorf Oudekaste ohne die sonst üblichen Schranken, Blumenkübel, Poller zu verlangsamen. Er verwendete keine Kontrolltechniken, sondern baute auf Wahrnehmungsveränderungen. Er schränkte die Sicht auf die zentrale Kreuzung ein, um so die Autofahrer zum Bremsen und vorsichtigeren Fahren zu zwingen. Um die Straße optisch schmaler erscheinen zu lassen, ließ er den Asphalt durch
rote Klinkersteine ersetzen. Die durchschnittliche Geschwindigkeit sank in der Folge von 58 km/h auf 37 km/h, die Zahl der Unfälle nahm stark ab.
Hieraus entwickelte sich das Konzept des »Shared Space« (des gemeinsam genutzten Raums), das seitdem in vielen Kleinstädten und Gemeinden überall in Europa ausprobiert und modifiziert wurde. Das Beispiel zeigt, wie gerne Menschen Verantwortung an äußere Systeme delegieren. Aber auch, wir schnell wir unser Verhalten durch Kommunikationssysteme verändern.
Die Idee des »Shared Space« ist inzwischen ein alter Hut – und vielleicht auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Viele Gemeinden, die mit »offener Verkehrssicht« experimentierten, haben inzwischen die Erfahrung gemacht, dass die Verkehrsteilnehmer auch ohne Poller, Kopfsteinpflaster und Ampeln heute vorsichtiger fahren. Vielleicht müssen Projekte auch bisweilen scheitern, um eine nächste Stufe der sozialen Synthese zu ermöglichen. Soziales Verhalten unterliegt, wie gesagt, einer Evolution. Solange Menschen mit ihrer Umwelt, ihrem Verhalten, ihrer Kommunikation experimentieren, werden neue konstruktive Varianten entstehen.
Manchmal hilft schlicht Konsequenz. Neulich traf ich auf einem Kongress eine junge Managerin, die die mittelständische, auf Einkaufszentren spezialisierte Baufirma ihres Vaters übernommen hatte. Sie erzählte mir, dass eines der größten Probleme der Vandalismus ist. Wenn ein neuer »Konsumtempel« eröffnet wird, zieht das immer Leute mit zerstörerischen Absichten an, die Diebstahlrate in den Geschäften ist hoch, Graffiti erscheinen an den Wänden. »Menschen kopieren Menschen«, sagte die Erbin. »Wir haben neuerdings einen Dienst etabliert, der in den ersten sechs Wochen nach der Eröffnung sofort alles wieder richtet, der jeden Filzstiftstrich von den Wänden entfernt, jede Klobrille repariert, in spätestens drei Minuten jeden noch so kleinen Krümel Müll forträumt. Danach ist die Beschädigungsrate null. Von ganz allein. Man braucht dann so gut wie nichts mehr zu tun. Ordnung steckt an.«
Der neue Humanismus
Wo wird das neue Systemwissen generiert, das uns beim Großprojekt der Entwicklung neuer Soziotechniken im Sinne kreativer Kooperation helfen kann? Eine der wohl wichtigsten Ideenschmieden für die Welt von morgen ist »TED – Ideas worth spreading« (Die Abkürzung steht für »Technology, Entertainment, Design«). TED entstand im Jahr 1984 aus einem kleinen Zukunftskongress in Kalifornien. Seitdem versammelt die Plattform Jahr für Jahr mehr Wissenschaftler, Denker, Dichter, Philosophen, Quantenphysiker, Inspiratoren, Wahrheitssucher, aber auch inspirierte Politiker, Manager und Künstler, um das Wissen der verschiedenen Disziplinen zu verknüpfen und die »Frontlinien« der neuen Synthesewissenschaften abzuschreiten. Auf den berühmten TED-Konferenzen, die zwei-, dreimal im Jahr (und inzwischen in kleinen Regional-Versionen auch häufiger) stattfinden, herrscht eine einfache Grundregel: Jeder darf 20 Minuten über seine Idee sprechen. Einladungskriterium ist, ob diese Idee neu und ungewöhnlich ist und ob sie etwas zur Verbesserung der Welt beitragen kann. Der Kongress ist vollkommen analog, real, ortsgebunden. Man begegnet sich physisch, man feiert die Redner. Aber jeder Vortrag wird professionell gefilmt und ins Netz gestellt. TED-Vorträge haben zum Teil riesige Download-Raten.
TED ist Teil einer außerakademischen Wissensbewegung, die man auch die »Dritte Kultur« genannt hat. 9 TED kehrt an den Ausgangspunkt von Wissenschaft zurück – bevor Wissen »akademisch« wurde, als es noch von Neugier,
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