Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
alles ganz normal. Was nicht heißt »immer friedlich«, aber trotz allem meistens friedlich.
Der Nahostkonflikt zum Beispiel wäre immer noch nicht gelöst. Es gäbe einen Palästinenserstaat, der sich bis tief in die arabische Wüste erstreckt (die arabischen Brüder haben, teilweise mit israelischem und europäischem Geld, Territorium gespendet), Palästinas Wirtschaft würde endlich wachsen. Nach wie vor gäbe es jedoch eine Fraktion, die den mächtigen israelischen Nachbarn angreifen möchte. Gegen die Mauer zwischen beiden Staaten war die Berliner Mauer ein Mäuerchen, aber auch sie könnte Attentate nicht vollständig verhindern. Vergiftungen mit gefährlichen Viren zum Beispiel. Die Israelis wären Experten in der Bekämpfung von Biowaffen.
Immer noch gäbe es Fanatismus. Unter dem Strich allerdings, ganz generell, wäre »die Menschheit« ein bisschen weniger verrückt, aufgeregt, unruhig, hysterisch als heute. Der »Organismus der Menschheit« wäre ein Stück robuster geworden.
Kann man sich das vorstellen? Schwierig, nicht wahr? Zukunft braucht drastische Bilder. Schlachtengemälde. Anschauliche Ziffern. Hier ist eine: Hans Rosling hat den Zeitpunkt, an dem China den Westen nicht nur im Gesamtbruttosozialprodukt endgültig übertreffen wird, genau ausgerechnet. »Im Jahr 2045, im September, nachmittags so gegen drei Uhr« wird Chinas Pro-Kopf-Einkommen das Europas und Amerikas übertreffen. Bei ungefähr 50 000 Dollar. 1
Der »Human Peak«
Eines der hartnäck igsten Gerüchte über die Zukunft ist über 200 Jahre alt. Es stammt von dem britischen Ökonomen und Pfarrer Thomas Robert Malthus. Mit seinem 1798 veröffentlichten »Essay on the Principle of Population« lieferte Malthus einen pessimistischen Ausblick auf die Entwicklung der Menschheit, der seither genauso beharrlich in unseren Köpfen herumspukt wie Spenglers Untergangsgesänge.
Malthus war der erste Professor für Wirtschaftswissenschaften in England, ein aufmerksamer Zeitbeobachter und glühender Alarmist. Zu Beginn der industriellen Revolution waren in Großbritannien Anzeichen eines steigenden Wohlstands zu erkennen. Die Geburtenzahlen waren hoch, aber anders als zuvor überlebten zum ersten Mal deutlich mehr Kinder die ersten Lebensjahre. Die Bevölkerung stieg daher merklich an, vor allem auch in den unteren, ungebildeten, armen Schichten.
Malthus entwarf ein einfaches mathematisches Zukunftsmodell. Wenn die Bevölkerungszahl weiterhin in geometrischer Progression stieg (so seine Annahme), würden bei gleichbleibender Nahrungsmittelproduktion irgendwann die Lebensgrundlagen nicht mehr ausreichen, die Bevölkerung zu ernähren. Unweigerlich müsse es zu Hungerkatastrophen kommen, mit Millionen von Toten. Damit
würde, das war die implizite Botschaft, die Bevölkerung wieder auf die »rechte Zahl« reduziert. Malthus’ Prophezeiung wirkt bis heute in unseren leichtgläubigen Köpfen nach.
Der Club of Rome veröffentlichte mit großem Echo in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Annahmen über die Bevölkerungsentwicklung auf einer empirisch professionelleren Grundlage, doch erwiesen sich die Zahlen ebenfalls als Fehlprognosen. Der Amerikaner Paul R. Ehrlich schrieb zur selben Zeit »Die Bevölkerungsbombe« und sagte gigantische Hungersnöte voraus – eine Aussage, die er bis heute wiederholt (»Ich habe mich nur im Zeitpunkt geirrt!«). Und hierzulande steht bei jeder zweiten Veranstaltung, in der es um die Zukunft geht, irgendjemand auf und redet von den viel zu vielen Kindern der falschen Leute. Und von den kommenden Rohstoffkrisen, die schreckliche Ausmaße annehmen müssen … Wenn man dann die realen Trendzahlen zeigt (die Geburtenrate fällt seit vielen Jahrzehnten stetig, auch in den armen Ländern, auch bei islamischen Minderheiten), herrscht meistens großes Staunen. Bisweilen mit einem aggressiven Unterton: Woher man diese offensichtlich gefälschten Statistiken habe?
Dass Wohlstand und Geburtenraten in enger Beziehung miteinander stehen, allerdings umgekehrt proportional, konnte Malthus zu seiner Zeit nicht erkennen. Dass sich nicht nur die Geburtenrate nach unten, sondern auch die Nahrungsmittelproduktion radikal nach oben entwickeln sollte, war in seiner Rechnung nicht vorgesehen. 2
Die landwirtschaftliche Produktivität liegt heute nicht nur in den Industrieländern um den Faktor 10, in den Schwellenländern um den Faktor 5 höher als vor 200 Jahren. Und die Entwicklung ist noch nicht zu Ende –
Weitere Kostenlose Bücher