Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
Tafel zeigen würde. Oder ich ihm zwei Bananen anbiete, von denen er zufällig eine aussucht.« 2
Selten wurde ein Begriff in der Öffentlichkeit so heftig, emotional und polarisierend diskutiert wie Globalisierung. Sie ist entweder jener gloriose Welterlösungstrend, der uns alle zu einer geeinten Menschheit macht. Oder, weitaus häufiger, jene Teufelstendenz, die alle Menschen in den Orkus der hyperkapitalistischen Ausbeutung reißt. Die Unterschiede zwischen Reich und Arm immer größer
macht. Einen Keil in die Menschheit treibt. Alle Unterschiede nivelliert. Die Umwelt zerstört.
Wussten Sie, dass die Geburtenrate in der Islamischen Republik Iran heute auf dem Niveau von Schweden liegt?
Dass in Vietnam die Lebenserwartung so hoch ist wie in den USA?
Dass in Botswana, einem afrikanischen Land, das mittlere Einkommen bei 13 000 Dollar liegt – eine Mittelschichtsgesellschaft mitten in Afrika?
Dass sich die Anzahl der Kriegs- und Gewalttoten seit mehr als einem halben Jahrhundert ständig verringert und seit Jahrzehnten auf einem historischen Tief verharrt?
Dass die Anzahl der globalen Hunger- und Elendsmigranten heute so niedrig ist wie noch nie in der Geschichte?
Vielleicht wollen wir das gar nicht wissen.
Globalisierung ist ein typisches Beispiel für den Cognitive-bias-Effekt. Wir entwickeln eine weltanschauliche These, ein »Weltbild«, und dann selektieren wir nur noch Informationen, die dieses Weltbild bestätigen. Das klappt immer. Man muss ja nur die Zeitung aufschlagen. Oder den Fernseher einschalten. Sich an den endlosen Strom der ideologischen Vereinfachung, des medialen Erregungsalarmsimus anschließen, der durch die Nervenbahnen unserer medialen Welt pulsiert. Und der nur eine einzige Behauptung kennt: Es wird immer schlimmer!
Scherenspiele oder das Armutsparadox
Aber gibt es heute nicht viel größere soziale Unterschiede auf dem Planeten? Ist die berühmte soziale Schere nicht tatsächlich schrecklich weit aufgegangen? Das Einkommen der Reichen stärker gestiegen als das der Ärmeren? Und ist nicht die Globalisierung daran schuld?
Würden wir die Schere mit den beiden meist gleich langen Klingen, die sich eigentlich beim Öffnen der Schere gleichförmig spreizen, einmal auf die Wohlstandsentwicklung der Welt projizieren, bekämen wir ein merkwürdiges Bild. Die eine Klingenspitze,
die das untere Ende der Einkommensskala markiert, würde in der Tat an einem ähnlichen Punkt wie im Jahre 1955 stehen. Auch damals gab es viele Hungernde. Menschen, deren Einkommen gegen null ging, und die sich nicht in Subsistenz ernähren konnten. Prozentual zur Weltbevölkerung waren es allerdings deutlich mehr als heute. Sogar in absoluten Zahlen. (Nur gab es damals noch nicht in jedem Dorf Mitarbeiter der Vereinten Nationen oder von NGOs, die das Elend dokumentierten. Es gab keine 100 Fernsehsender, die über die Welt berichten oder berichten müssen, immer auf der Suche nach möglichst drastischen Bildern. Vor einem halben Jahrhundert war das Elend weitgehend unbeobachtet. Menschen litten, ohne dass dies Konsequenzen in den kognitiven Resonanzsystemen der Welt hatte.)
Der andere Schenkel der Schere würde einen Riesenschritt auf der Skala Richtung Reichtum tun. Gleichzeitig müsste man die ganze Schere stark vergrößern – wegen der gewachsenen Weltbevölkerung. Bei einer 15 Zentimeter langen Schere müsste man die eine Klinge nun auf fast einen Meter ziehen, um die Spreizung der Einkommen von 1955 bis heute zu symbolisieren.
Das Scherenbild
Die eine Hälfte der Diagnose stimmt also: Die Welt ist »ungleicher« geworden. Denn der Abstand zwischen der linken und der rechten Scherenspitze ist eindeutig größer. Ist aber die Welt auch »ungerechter« geworden?
Nicht für alle, aber für den weitaus größten Teil der Menschheit gilt, dass das letzte halbe Jahrhundert (also meine Lebensspanne), ein Gewinnspiel des Wohlstands war. Ein Südkoreaner verdient heute 15-mal so viel wie sein Vater oder Großvater im Jahr 1955 (und ebenfalls 15-mal so viel wie sein nordkoreanischer Cousin). Ein durchschnittlicher Finne verdiente 1955 weniger als heute ein durchschnittlicher Botswaner. Der Anteil der Vietnamesen, die von weniger als zwei Dollar täglich leben, hat sich allein in den letzten 20 Jahren von 90 auf 30 Prozent verringert. Und noch viel mehr wiegt vielleicht, dass auch Frauen in Finnland, Vietnam, Südkorea, Indien und China jetzt sehr viel mehr eigenes Geld verdienen. Das bedeutet, dass sie ihren
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