Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
gigantischen Aufschwung erlebt hat und der durch und durch professionalisiert, kommerzialisiert, global kapitalisiert wurde. Und der trotzdem auf eine geheimnisvolle Weise bodenständig geblieben ist.
Im Fußball kann der alte Wir-Mensch, der für die Seinen kämpft, seine Energien schadlos einsetzen. Wir zittern und bangen und haben ein klares Koordinatensystem für Sieg und Niederlage. Wir können siegen, ohne den Gegner zu vernichten, werden geschlagen, ohne das Leben zu verlieren. Fußball ist unglaublich regional und zugleich grenzenlos. In China etwa gibt es riesige Fanclubs für englische Fußballvereine. Millionen Migranten in der Welt jubeln mit ihrem Verein, auch wenn sie 10 000 Kilometer entfernt leben und schon seit zwanzig Jahren nicht mehr »zu Hause« waren. Diese Spannung zwischen Globalität und lokal verwurzelter Anhänglichkeit macht Fußball zum augenfälligsten und schönsten Massenritual der Glokalisierung.
7 Der Megatrend Frauen
Auf einer grünen Hochebene in 3000 Meter Höhe, am Rande des Himalaja im südwestlichen China, in einem Eck, das an Birma, Laos und Vietnam grenzt, lebt das knapp 10 000-köpfige Volk der Mosuo. Seit Tausenden von Jahren haben die Frauen in der Mosuo-Kultur das Sagen. Sie sind körperlich stark, stets bunt und schön gekleidet. Und sie regieren die Gesellschaft in jedweder Hinsicht.
Die Mosuo kennen keine Institution mit dem Namen »Ehe«. Im Zentrum des Beziehungslebens steht das serielle Liebhabertum, die sogenannte »Besuchsbeziehung«, wobei die Frauen die Männer auswählen – für eine Nacht, für mehrere, manchmal auch für das ganze Leben. Im Alter von 13 Jahren erhalten Mosuo-Mädchen eine eigene Schlafkammer – und das Recht auf Sex. Wenn eine Mosuo-Frau einen Mann gut findet, weil er schön anzusehen ist und »eine gute Seele hat«, bittet sie ihn in ihr Bett. Dauert die Liaison an, hängt der Liebhaber seinen Hut symbolisch an die Wand neben der Tür. Möchte die Frau das Verhältnis beenden, hängt sie den Hut außen an die Hütte. Eifersucht existiert bisweilen, wird aber eher als soziales Versagen interpretiert. Die Männer sagen: »Eine Türe schließt sich, zehn Türen öffnen sich.« Die analoge Redensart der Frauen lautet: »Geht ein Mann, so kommt dafür ein anderer.« Lebenslange Bindungen und Besitzansprüche zwischen Mann und Frau gelten eher als störend für die Harmonie. 1
Bevor Heerscharen von Späthippies in Richtung Himalaja aufbrechen, müssen wir mit einigen Missverständnissen aufräumen: Die Mosou-Gesellschaft ist kein Hort der Libertinage. Es handelt sich im Gegenteil um eine extrem traditionale Kultur, wenngleich mit ungewohnter Rollenverteilung. In jedem Haushalt übt das weibliche Oberhaupt, »Ah mi« genannt, die Entscheidungsmacht
aus. Nur gebärfähige Frauen haben einen eigenen Schlafraum. Erwachsene Männer und Jugendliche von 14 Jahren an müssen auswärts schlafen, in den Betten der Frauen sind sie nur geduldet. Die Männer, die die schwereren körperlichen Arbeiten vom Schlachten bis zum Hausbau verrichten, nächtigen daher in Gemeinschaftsräumen der Großfamilien oder in Hütten auf den Weiden, auf denen die Yaks grasen, die Basis der lokalen Landwirtschaft.
Alle Markterträge werden dem Haushalt der Frauen gutgeschrieben, abzüglich kleiner Geschenke für die Liebhaber. Auf diese Weise entwickelt sich über Generationen ein bescheidener, aber konstanter Wohlstand. Es gibt keine Männer, die das Geld verspielen, vertrinken, durch Waffen oder Autos verpulvern, weil die Männer über das Geld gar nicht verfügen – sondern nur über ihre Arbeitskraft oder ihre erotische Attraktivität. Werden Kinder geboren – die Frauen beherrschen allerdings viele Formen der Verhütung, auch der modernen –, wachsen sie bei der Mutter auf. Der Mann hat keine geregelte finanzielle oder soziale Verpflichtung. Seine Fürsorge ist dennoch gefragt – sie richtet sich aber weniger auf seine leiblichen Kinder, sondern zumeist auf die Kinder seiner Schwestern und Kusinen.
Die Mosuo sind keineswegs die einzige feministische Kultur auf der Erde. Die Naxi, die ebenfalls in den Ausläufern des Himalaja leben, die Naga in Südindien, der Pawnee-Stamm in Nordamerika, auch einige afrikanische Stämme weisen ähnliche Sozialstrukturen auf. In vielen halbnomadischen Kulturen entsteht schon deshalb eine weibliche Dominanz, weil die Männer ständig unterwegs sind – und ihre eigene soziale Welt bilden.
Dies führt zu spannenden Fragen: Wenn
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