Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
mit dem Internet, der Popkultur, der Multikulturalität aufgewachsene Generation, die diese biologische Re-Lokalisierung betreibt. Was bedeutet dies für die nächste Stufe der Globalisierung?
Die neue Krümmung
Eratosthenes von Cyrene berechnete bereits im dritten Jahrhundert v. Chr. den Erdumfang – mit 40 000 Kilometern. Die Kugelgestalt der Erde war den Griechen demnach bekannt, und dieses
Wissen ging auch im Mittelalter nicht verloren. Weltdarstellungen in Form eines Globus sind allerdings in Antike und Mittelalter sehr selten. Im Jahre 1477 schuf Donnus Nicolaus Germanus, ein in Florenz lebender Kartograph deutschen Ursprungs, im Auftrag von Papst Sixtus IV. den ersten Erdglobus der Neuzeit. Globusmacher wurden danach frühe »Globalisierer des Geistes«, sie schufen eine symbolische Form für ein neues Bewusstsein. Es entstand so etwas wie eine frühe globale Industrie. Nürnberg wurde um 1500 zu einem Zentrum der europäischen Globenherstellung. Der älteste erhaltene dort gefertigte Globus ist der 1492 von Martin Behaim geschaffene »Erdapfel«, der heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg steht.
Das Symbol der Kugel, auf der wir leben, breitete sich in der Folgezeit weiter in den Köpfen aus. Bald wurde der Globus in begüterten Haushalten zu einem begehrten Statussymbol, das an exponierter Stelle präsentiert wurde. Spätestens die Mondreisen in den sechziger und siebziger Jahren, die vielleicht keinen wissenschaftlichen Super-Zweck hatten (sie waren wohl eher Auswüchse des Rüstungs- und Systemwettlaufs zwischen Ost und West), haben das Bild der blauen Erde dann endgültig in unseren kollektiven Speichern festgesetzt.
Wie flach ist die Erde heute tatsächlich – im Sinne einer nivellierenden Globalisierung? Stimmt das Bild von Thomas Friedman, der in seinem Buch »Die Welt ist flach« von 2006 die totale und absolute Gleichzeitigkeit aller ökonomischen Prozesse postulierte? Pankaj Ghemawat von der IESE Business School in Barcelona ist einer der wenigen Wissenschaftler, die sich dieser Frage skeptisch und nüchtern genähert haben. Seit ungefähr einem Jahrzehnt versucht er, sich im Stakkato der Glorifizierer und Verdammer der Globalisierung mit einer »neuen Nüchternheit« Gehör zu verschaffen. Seine schlichte Botschaft lautet: Wir leben allenfalls in einem Zeitalter der Proto-Globalisierung.
Viele Indikatoren der Globalisierung sind in der Tat verblüffend dürftig, wenn man sie in nüchternen Zahlen ausdrückt – und nicht gerade den Stahlexport zum Maßstab nimmt. 6
Nur zwei Prozent der Studenten der Welt studieren außerhalb ihres Landes.
Nur drei Prozent aller Menschen leben außerhalb ihres Geburtslandes.
Nur sieben Prozent der globalen Reismenge werden ex- beziehungsweise importiert.
Nur sieben Prozent der Direktoren der 500 amerikanischen börsennotierten Unternehmen im S&P-Index sind Ausländer.
Nur ein Prozent aller amerikanischen Firmen hat Auslandsaktivitäten aufzuweisen.
Auslandsinvestitionen bilden nur neun Prozent aller weltweiten Investitionen.
Nur 20 Prozent aller Aktien werden von Ausländern gehalten.
Nur 20 Prozent aller Internet-Datenströme überqueren Grenzen.
Nur 25 Prozent aller weltweiten Flüchtlinge leben außerhalb ihres Landes oder ihrer Region. Die meisten Flüchtlinge aus den Entwick lungsländern gehen in Entwicklungsländer.
Ungefähr ein Viertel aller amerikanischen und europäischen Unternehmen, so Ghemawat, haben in der Finanzkrise von 2008 ihre Lieferketten verkürzt und sich auf heimische Ressourcen besonnen – der Fukushima-Unfall in Japan hat diesen Prozess vermutlich noch einmal beschleunigt. Viele »Merger« über Grenzen hinweg sind wieder gelöst worden. Unternehmerische Globalstrategien sind gescheitert, wenn sie die lokalen Unterschiede nicht integrieren konnten. Der Versuch von Mercedes, mit Chrysler zu fusionieren, scheiterte kläglich, weil » die eitelkranken Motorenbauer sich hassten und das Management sich nur noch mit texanischem Whiskey betrank«, wie mir ein Mitarbeiter einmal verriet. Nokia versuchte ein Jahrzehnt lang, mit aller Macht in den japanischen Handy-Markt einzudringen, bevor es kapitulierte. Das Gerücht, die Welt würde von einer Handvoll superglobalen Unternehmen übernommen, ist Unsinn. Die Konzentration in den globalen Schlüsselbranchen ist von 1950 bis 1990 ständig gefallen. Durch den Aufstieg Chinas und Indiens wird sich eher noch mehr Vielfalt in der Weltwirtschaft entwickeln – und mehr
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