Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
Verhältnisse weiterentwickeln zu können, ist es wichtig, seine Fähigkeit in soziale Zusammenhänge zu stellen.
Wirklich tragfähig auch in der Zukunft wird die Idee des Berufs aber erst, wenn wir sie im Sinne unserer Megatrends, also der zunehmenden Individualisierung, Vernetztheit und Feminisierung, auch der Auflösung der gewohnten Altersstrukturen modernisieren.
Und hier kommt der Begriff Talent ins Spiel. Ein Talent ist ein inneres Potenzial zum Entwickeln des Eigenen, des individuellen Elements. Das Talent ist das innere Geheimnis jedes Einzelnen. Es entsteht zwar auch aus der Frage »Was kann ich?«, umfasst aber noch mehr die Frage »Wer bin ich?«.
Talente können sich in allen möglichen Dimensionen entwickeln. Künstlerisch, sozial, handwerklich, geistig, kommunikativ, meditativ. Man kann ein Talent zum Gärtnern, eine Leidenschaft für Natur haben und sich trotzdem im Beruf des Landschaftsgärtners unwohl fühlen. Talente entwickeln sich nicht (nur) entlang von »Berufsbildern«, sondern auch quer zu ihnen.
Während sich mit einem Beruf ein eher exklusives Bild verbindet – »nicht jeder hat das Zeug zu …« –, ist die Idee des Talents radikal demokratisch. Jeder Mensch auf dieser Erde hat ein Talent! Selbst die Armen, die Dummen, die Benachteiligten, die momentanen »Opfer«, die »Fremden« und »Putzfrauen« haben ein Talent! Der hieraus abgeleitete »Talentismus« meint eine Kulturentwicklung, in der
■ die Arbeit sich langsam von der Lohnarbeit löst – im Sinne einer »positiven Autonomisierung«;
■ die Fähigkeiten nicht mehr nur in linear erworbenen Qualifikationen bewertet und erkannt werden; es geht auch um Charakterbildungen und »Skills«;
■ nicht so sehr die unmittelbare Verwertung oder Steigerung eines Könnens im Vordergrund steht, sondern dessen geistige und psychische Integration in eine Gesamtpersönlichkeit.
Hier haben wir den Kern der Produktivitätsfrage der Zukunft: Wie können wir die Talente heben, die massenhaft, millionenfach und doch individuell vorhanden sind? Wie können wir bei möglichst vielen Menschen Können zu Kennerschaft, Qualifikation zu Meisterschaft entwickeln? Und eine höhere Synchronisierung des Talents mit dem Ökonomischen? Das bedeutet im eigentlichen Kern »Bildung«, wenn wir sie gesamtgesellschaftlich produktiv machen wollen! Meine doppelt ketzerische These an diesem Punkt lautet: Wir befinden uns längst mitten im Transformationsprozess
zu dem, was man Neue Arbeit nennen kann. Der »Megatrend New Work« ist in vollem Gang, aber aufgrund unserer Fixierung auf das Lohnarbeitsmodell nehmen wir das noch gar nicht richtig wahr.
Immer mehr Menschen fragen nicht mehr »Wo bekomme ich eine sichere Stelle?«, sondern »Wer bin ich – und wo kann ich meine Fähigkeiten sinnvoll einbringen, indem ich sie entfalte?«. Immer mehr Menschen – auch in traditionellen Unternehmen – entdecken ihr Talentethos: die Idee, die Dinge anders und besser zu machen; den Mut zu haben, zu gehen, wenn das in einem bestimmten Arbeitskontext nicht möglich ist. Und immer mehr Unternehmen verstehen langsam, dass »Abschlüsse« nichts über die mögliche Zusammenarbeit aussagen. Sie begreifen ihre zukünftigen Mitarbeiter als ganzheitliche Personen mit vielfältigen Fähigkeiten, nicht nur als Funktionen.
Solche Veränderungen mögen langsam und zäh verlaufen und von Rückschlägen begleitet werden. Aber wie sollte das anders sein? Es geht nicht darum, die Sicherheiten, die das industrielle System hervorgebracht hat, zu zerstören zugunsten eines abstrakten Freiheitspathos, der Menschen nur überfordern kann. Es geht darum, die Wahrnehmung langsam zu verschieben. Das Spielbein zu heben und so lange das Balancieren zu üben, bis ein neuer Gang daraus wird. Denn eines ist gewiss: Kreative Kooperation, das Einzige, was Prosperität in Zukunft sichert, ist im Angst- und Abhängigkeitssystem der alten Lohnarbeit nur schwer zu realisieren.
Die Könnensgesellschaft
Wir haben in den letzten Kapiteln gesehen, dass »Wissen« nicht die Beschreibung der Ökonomie der Zukunft ist. Wenn wir von »Wissensgesellschaft« reden, produzieren wir im Grunde einen weißen Schimmel. Jäger-und-Sammler-Gesellschaften lebten vom Wissen über die Natur. Agrargesellschaften ebenfalls, hinzu kam ihre Beherrschung handwerklicher Techniken. Industrielle Gesellschaften basieren auf dem Wissen über effektive Produktionsprozesse.
Unsere Kultur steht in einer ganz anderen Gefahr, als zu wenig
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