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Das Menue

Titel: Das Menue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
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aufgewachsen sein.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Elvis. »Hey, was macht er nun schon wieder?«
    »Er hält an. Und was willst du jetzt tun?«
     
    Wormwoods Wagen steuerte den Randstreifen des Highways an. Die Scheinwerfer gingen aus. Die hintere Tür schwang auf. Elvis lenkte das Polizeiauto fünfzig Yards hinter der Limousine an die Seite. »Wir sind aufgeflogen.«
    »Noch nicht, Chef. Du bist ein Cop, vergiss das nicht. Vielleicht hat er sich verfahren und braucht eine Wegbeschreibung.« Wormwood war aus der Limousine ausgestiegen und kam nun im vollen Scheinwerferlicht auf Elvis zu.
    »Fahr ihn über den Haufen, Chef!«, flüsterte Barry der skrupellose Zeitkohl. »Eine bessere Chance kriegen wir nicht!« Elvis packte den Schalthebel. Wormwood kam noch näher. Nur noch dreißig Yards… Der Fuß des King drückte das Gaspedal herunter.
    »Mach es jetzt, Chef!«
    Nur noch zwanzig Yards…
    Wormwoods Augen funkelten im grellen Gleißen der Scheinwerfer wie die einer Katze.
    »Mach es!«
    Elvis warf den Gang ein. Er zitterte am ganzen Leib. Nur noch zehn Yards…
    »Fahr ihn um!«
    Elvis ließ die Kupplung springen. Wormwood war dort, vor seiner Kühlerhaube, doch mit qualmend durchdrehenden Reifen machte der Wagen einen Satz nach hinten. Elvis riss das Lenkrad herum und rüttelte hart am Schalthebel. Endlich war der erste Gang drin.
    Er raste über den Highway davon.

5
    Ach ja, die ›Wolfskinder‹. Es gibt zahlreiche Beispiele von Kindern, die von wilden Tieren aufgezogen worden sind, das gebe ich gerne zu. Ich selbst habe viel zur Literatur über dieses Thema beigetragen. Die Dias, die ich Ihnen jedoch heute Abend zeigen möchte, stammen von Kindern, die von Insekten und Weichtieren aufgezogen wurden. Ich bin überzeugt, dass meine Forschungsergebnisse absolut einzigartig sind. Das Blattlausmädchen von East Dulwich, die Flohkinder von Penge und, am merkwürdigsten von allen, der Schneckenjunge von Brentford. Das erste Dia bitte, Rizla. Danke sehr. Wenn Sie bitte die auf dem Kopf getragene Gießkanne beachten würden…
    Die Vorlesungen von Hugo Rune, Paris 1938
     
    Der Saal war weitläufig und rund und von zahllosen marmornen Emporen umgeben. Wendeltreppen führten zu diesen hinauf, doch das Bauwerk war so riesig, dass die Treppen auf der gegenüberliegenden Seite aussahen wie kleine Korkenzieher. Die Wände schienen durch und durch aus Messing zu bestehen, zusammengehalten von Millionen von Nieten, deren Köpfe von äonenlangem nicht enden wollendem Polieren bereits ganz klein geworden waren. Von jeder Galerie führten hohe Bogengänge zu immer weiteren Galerien. Überall war das dumpfe Schlagen zu hören, wie von einem gigantischen Herzen oder einer unermüdlich hämmernden titanischen Maschine. Jene, die auf den Galerien arbeiteten – und es waren nicht gerade wenige, die mit dem Justieren komplizierter Mechanismen aus Messingrohren, Drehrädern und Wählhebeln antiken Designs beschäftigt waren - hatten schon vor langer Zeit aufgehört, das Geräusch bewusst wahrzunehmen. Sie waren daran gewöhnt. Sie arbeiteten im Rhythmus seiner Harmonie. Hier gab es keinen Tag und keine Nacht. Kein spürbares Empfinden für Zeit. Nur einen konstanten, immer gleich bleibenden Status des Jetzt.
    Der Aufseher schien kaum mehr als ein Skelett. Seine schwachen rheumatischen Augen waren so tief in die Höhlen gesunken, dass sie kaum noch zu sehen waren. Sein Kopf sah aus wie ein gesprenkeltes Vogelei, mit wenigen abstehenden Büscheln transparenter Haare über den spitzen Ohren und durchzogen von blauen Adern. Der zahnlose Mund war zu einem erstarrten Tadel geschürzt. Die Nase nichts weiter als ein chitinöser Kamm. Er war in Decken gehüllt, die bestickt waren mit eigenartigen Vögeln und Tieren, die es längst nicht mehr gab.
    Und doch, wenn der Aufseher schon einen merkwürdigen, ja unheimlichen Anblick bedeutete, dann galt das erst recht für sein Gefährt. Es war ein offenes Kurrikulum aus Messing, etwas weniger als mannshoch und mit zwei kupfernen Beinen statt Rädern und nach vorn geknickten Knien. Die Füße des Monstrums bestanden aus jeweils drei Klauen, die in schwarzen Gummisohlen endeten. Das Beförderungsmittel war mit einem einzelnen tiefen Ledersessel ausgestattet, in dem der Aufseher thronte. Seine gebrechlichen Hände manipulierten schlanke Hebel mit vergoldeten Kugeln an den oberen Enden. Die Hebel steuerten den Uhrwerkmechanismus, der das bizarre Vehikel antrieb. Es mochte vielleicht nicht die

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