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Das Menue

Titel: Das Menue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
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Frankreich] getroffen. H. [möglicherweise Rudolf Hess] war anwesend sowie einige der Surrealistischen Poeten, ein Gentleman namens Crowley, der behauptete, einer von Runes Jüngern zu sein, und der Herumlungerer Koeslar.
    Wie üblich lag Koeslar mit Rune im Disput. Es sei wissenschaftlich unmöglich, so erklärte er, dass ein Mensch unsichtbar werden könne. Rune hatte zu diesem Zeitpunkt einen sehr geistesabwesenden Ausdruck in den Augen (später berichtete er mir, dass er seinen Röntgenblick getestet hatte), doch schließlich richtete er sich zu seiner vollen, Ehrfurcht gebietenden Größe auf, blickte auf Koeslar herab und erklärte: ›Unsichtbarkeit ist die leichteste Sache der Welt, wenn man weiß, wie man es anstellen muss.‹
    Koeslar verlangte zu erfahren, wie man es anzustellen hatte, doch Rune erwiderte lediglich, dass ein solches Geheimnis in den falschen Händen (namentlich denen Koeslars) zu katastrophalen Ergebnissen führen würde. Koeslar kippte ein weiteres Glas Absinth hinunter [Wells macht geltend, dass Koeslar ein ›unmäßiger Trinker‹ gewesen sein soll, wohingegen Rune ihn rundheraus als ›versoffene Made‹ bezeichnete] und brüllte: ›Na gut, dann zeigen Sie’s uns!‹
    Rune seufzte resigniert, legte seine großen Hände an die Schläfen und begann auf den Absätzen vor und zurück zu schaukeln. Während wir ihn erwartungsvoll anstarrten, kühlte sich die Luft spürbar ab, und ich bemerkte, dass der Rauch von Runes Zigarette mit einem Mal bewegungslos in der Luft hing.
    Zu unserem äußersten Erstaunen wurde der große Magier an den Extremitäten unscharf, und innerhalb weniger Sekunden war er völlig verschwunden. Koeslar war bei dem Anblick ohnmächtig geworden und kam erst wieder zu sich, als der Inhalt eines in der Nähe stehenden Spucknapfs über ihm ausgeleert wurde.‹
     
    So endet Wells’ Bericht über diese Episode. Koeslars Version unterscheidet sich ganz beträchtlich. In seinem Buch Hugo Rune, Frauenschläger und Betrüger (inzwischen glücklicherweise vergriffen) erzählt er Folgendes:
     
    ›Rune, der wie stets an den Rockschößen seiner Gönner hing, hatte sich in unsere Gesellschaft insinuiert. Als er betrunken war, fing er an, uns mit seinen dahergeholten Behauptungen zu überschütten. ›Verschwinden Sie doch endlich, Rune!‹, witzelte ich, womit ich zum Ausdruck bringen wollte, dass er endlich gehen und uns in Ruhe lassen sollte.
    ›Das werde ich, das werde ich!‹, lallte Rune. ›Hier und auf der Stelle!‹
    Ich wusste sogleich, dass er einen von seinen unerträglichen Schaustellertricks zum Besten geben wollte, und da ich sein Geschick als Bauchredner kannte, konnte ich mir sehr gut ausmalen, was er vor hatte. Also beobachtete ich jede seiner Bewegungen mit großer Sorgfalt. Und als er schließlich ausrief: ›Ist das dort drüben nicht Oscar Wilde?‹, und wie verrückt in Richtung Tür zeigte, sah ich ganz allein, wie er sich unter den Tisch duckte.
    Endlich hatte ich die gottgegebene Gelegenheit, diesen Scharlatan öffentlich zu demaskieren, und ich packte sie sogleich beim Schopf. Ich trat um den Tisch herum und sagte den anderen, dass sie mich genau beobachten sollten, während ich mit dem Fuß ausholte, um nach dem unter dem Tisch kauernden Betrüger zu treten. Zu seiner ewigen Schande und Unehre biss er mit doch tatsächlich in die Wade.‹
     
    Die beiden Erzählungen dieses Zwischenfalls klaffen derart auseinander, dass der Leser einigen Zweifel hegen mag, was sich nun an jenem schicksalhaften Tag tatsächlich ereignet hat. Glücklicherweise existiert noch eine Kopie der Übersetzung des sich anschließenden Gerichtsverfahrens, und Runes eigene Aussage, unter Eid abgegeben, lautet folgendermaßen:
    ›Es war das erste Mal, dass ich mich völlig unsichtbar gemacht hatte, und ich hatte nicht erwartet, dass ich im Stadium der Nicht-Materie nicht mehr länger den Kräften der Gravitation unterworfen wäre. Während ich also vollkommen bewegungslos in Raum und Zeit verharrte, drehte sich die Erde ohne mich weiter. Ich merkte fast im gleichen Augenblick, dass ich in den Boden des Restaurants einzusinken begann, und wäre ich nicht hastig wieder rematerialisiert, wäre ich dieser Welt ohne Zweifel auf tragische Weise verloren gegangen. Es war im Moment meiner Rematerialisation, dass ich feststellte, wie jemand heftig nach mir trat. Ich tat das Einzige, was ich zu meiner Verteidigung unternehmen konnte. Ich bin in allen Punkten der Anklage unschuldig,

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