Das Midas-Kartell
würden sie nirgendwohin gehen. »Eine Bank hat einen Haufen Geld verloren und sich dann von einem Drogenkartell welches geliehen, um die Verluste auszugleichen. Ein Wirtschaftsprüfer hat das herausgefunden und sich einen Spaà daraus gemacht, groÃe Teile der Summe verschwinden zu lassen. Der Wirtschaftsprüfer ist ein Typ, mit dem ich zur Schule gegangen bin, er hat mir den Umschlag geschickt. Die dachten, ich wüsste, wo das Geld ist. Sie dachten, wenn sie Mila und dich entführen, würde ich es ihnen verraten.«
»WeiÃt du denn, wo das Geld ist?«
Markus rutschte auf die Rückbank. Er hatte Natalie nie wirklich überzeugend anlügen können. Sie hatte es ihm immer sofort angesehen. Gerade das war etwas gewesen, das er an ihr stets besonders anziehend gefunden hatte.
»Nein«, sagte er, lehnte sich im Sitz zurück und legte einen Arm um seine Tochter. »Das Geld ist weg. Aber das wussten sie nicht.« Er schloss die Augen, und damit war das Gespräch beendet.
Mila war inzwischen an seiner Schulter eingeschlafen. Natalie hätte ihm gern noch mehr Fragen gestellt, aber die konnten warten. Was er erzählt hatte, war zumindest besser als nichts. Sie fuhr auf die Autobahn und gab Gas, und der BMW fraà Kilometer um Kilometer. Ihre Augen standen voller Tränen, die ihr über die Wangen liefen, als sie versuchte, sie wegzuzwinkern. Markus hatte sich wieder einmal typisch verhalten. So war er schon immer gewesen. Impulsiv, schweigsam, und doch lag etwas Verlässliches im Anblick seiner breiten Schultern. Er war gekommen, um sie zu retten, und nichts und niemand hätte ihn dabei aufgehalten. Das wusste sie. Guy hatte vermutlich nicht einmal bemerkt, dass sie nicht da waren, weil er wieder einmal geschäftlich unterwegs war und sich vor lauter Arbeit nichts weiter dabei dachte, dass sie nicht ans Telefon ging.
Während London immer näher kam, blickte sie in den Rückspiegel. Markus starrte mit leerem Blick in die Nacht. Natalie konnte sich gut an diesen Ausdruck erinnern. So hatte er immer ausgesehen, wenn er aus seiner Dunkelkammer gekommen war. Gebäude und Autos sausten vorbei, und sie ging vom Gas, als sie Radarkameras entdeckte.
»Ich weiÃ, es liegt nicht gerade auf deinem Weg, aber könntest du mich vor dem Claridgeâs absetzen?«, bat Markus.
»Sei nicht albern«, erwiderte sie. »Du kannst doch bei uns übernachten. Guy ist nicht da, und Mila freut sich, wenn du morgen früh noch da bist.« Und ich auch , dachte sie.
»Ich muss dort jemanden treffen.«
Sie sah erneut in den Rückspiegel und begegnete seinem Blick. »Du hast gesagt, es ist vorbei.«
»Ist es auch. Bald. Sobald ich diesen Mann getroffen habe.«
Eine halbe Stunde später bremste Natalie scharf vor dem Hotel mit der Art-déco-Fassade. Hinter ihr ertönte eine Hupe, und ein Taxi mit wütend gestikulierendem Fahrer zog vorbei, doch sie nahm es nicht wahr.
»Hier«, sagte sie und reichte Markus ein Taschentuch. »Sieht aus, als hättest du Nasenbluten.«
Er nahm es entgegen, wischte sich das Gesicht ab und beugte sich dann zur Seite, um die immer noch tief schlafende Mila auf das Haar zu küssen. »Ich erkläre dir das später. Wenn alles vorbei ist.« Er öffnete die Tür.
»Viel Glück«, sagte sie, ohne recht zu wissen, warum. Vielleicht wegen seiner grimmig entschlossenen Miene. Er sah aus, als würde er eine Totenmaske tragen. »Viel Glück«, wiederholte sie. Doch er hörte sie schon nicht mehr.
Im Anzug seines Vaters, der ihm zu klein war, Schlamm an den Schuhen, schritt Markus über die schwarz-weiÃen Fliesen der Eingangshalle. Das weiÃe Tuch, das er sich unter die Nase hielt, war voller roter Flecken.
Ein Portier trat auf ihn zu, mit fragender, aber offener Miene. Man erlaubte sich hier erst ein Urteil über Gäste, wenn man wusste, mit wem genau man es zu tun hatte. »Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?«
»Ich habe eine Reservierung. Auf den Namen Wittgenstein.«
»Selbstverständlich, Sir.« Der Portier nahm Markus am Arm und lenkte ihn zur Rezeption. »Dieser Gentleman bekommt die Wittgenstein-Suite«, erklärte er der Empfangsdame.
»Gerne«, sagte sie mit gewinnendem Lächeln. »Ich habe vorhin mit Mr Wittgenstein telefoniert, er sagte, Sie seien möglicherweise in einem etwas derangierten Zustand. Haben Sie
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