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Das Midas-Kartell

Das Midas-Kartell

Titel: Das Midas-Kartell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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ihn durch den Raum und lehnte sich aus dem Fenster, während sich Ramirez mit aller Kraft in sein Jackett krallte. Er packte Ramirez’ Hände nacheinander und löste die Finger aus dem Stoff, um sie dann gegen ihr Gelenk zu biegen, bis sie krachten. Ramirez schnappte keuchend nach Luft.
    Markus lehnte sich langsam weiter nach draußen, bis Ramirez’ Körper nach unten kippte und er ihn nur noch an den Fußknöcheln hielt.
    Â»Sie müssen das nicht tun. Bitte. Tun Sie das nicht.« Alphonse versuchte verzweifelt, sich hochzuziehen, und seine Augen traten ihm aus dem Kopf.
    Den gleichen Gesichtsausdruck hatte Markus bei seinem Vater gesehen, in der Nacht, als er im Pool ertrank. Er ließ los. Ein Luftzug, dann ein dumpfes Geräusch, als der Körper auf dem Pflaster aufschlug, mit grotesk verdrehten Gliedmaßen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite blieben zwei Passanten stehen und starrten herüber, die Hände auf den Mund gepresst. Einer deutete mit dem Finger auf das Fenster. Markus wandte sich zum Gehen. In einer Zimmerecke saß seine Mutter. Er blieb stehen und starrte sie an. Sie war klar und deutlich zu sehen. Seine Hände zitterten, und das Fieber pulsierte in seinen Adern. Sie war die einzige Zeugin des Verbrechens. Genau wie damals bei seinem Vater.
    Er rannte aus dem Zimmer. Die Wände um ihn herum begannen zu verschwimmen. Er war wieder in dem Haus seiner Kindheit, daheim in Hampstead. Er wollte sie einholen, ihr alles erklären. Sein Vater hatte neben dem Pool auf einer Liege gelegen, eine halb volle Flasche Brandy neben sich. Warum willst du nicht ins Geschäft miteinsteigen? Ich könnte dich gut gebrauchen. Du würdest diesen Ukrainern, die versuchen, meine Klubs zu übernehmen, einen Haufen Angst ein jagen. Sag bloß nicht, du hättest nicht den Mumm dazu, ich habe dich kämpfen sehen. Ich weiß genau, wie du tickst. Du bist wie ich. Es macht dir Spaß, Schmerzen zu bereiten. Du liebst dieses Gefühl. Ich seh dir das an. Hör auf, deine Zeit mit diesen albernen Fotos zu verschwenden . Markus spürte, wie Wut in ihm aufstieg. Wie viele Jahre lang versuchte er nun schon, seinem Vater aus dem Weg zu gehen, und immer noch glaubte der, er würde ihn besser kennen als er sich selbst …
    Ivan musste sich an seiner Rattanliege festhalten, um auf die Beine zu kommen. Er streckte Markus die Arme entgegen. Du hast andere Talente. Komm an meine Brust. Arbeite mit mir . Er versuchte, Markus an sich zu ziehen, doch der stieß ihn angewidert weg. Der alte Mann packte ihn am Ärmel. Lass mich los , zischte Markus und fasste ihn am Handgelenk. Doch Ivan hielt sich fest, krallte seine Finger in den Stoff, ohne den Blick von seinem Sohn abzuwenden.
    Mit voller Wucht stieß Markus ihn weg. Der alte Mann glitt aus und verlor das Gleichgewicht, betrunken wie er war. Im Fallen stieß er sich den Kopf am Beckenrand und versank dann im Wasser.
    Markus sah zu und rechnete damit, dass er wieder auftauchen und nach Luft schnappen würde. Er wartete und wartete. Als der Mann an die Oberfläche trieb, war das Wasser um ihn herum blutrot. Selbst jetzt sprang Markus nicht hinein. Der Alte würde sich schon noch von selbst drehen und zum Rand schwimmen, um sich aus dem Wasser zu stemmen. Er war unverwundbar. Doch nichts dergleichen geschah. Er trieb einfach weiter im Wasser, mit dem Gesicht nach unten, und seine Fingerknöchel stießen schlaff gegen den Beckenrand. Seine Mutter sah ihn an, als wollte sie nichts mehr von ihm wissen.
    Â»Sind Sie mit dem Zimmer nicht zufrieden?«
    Markus wandte sich der Stimme zu. Der Portier. Er war wieder in der Hotellobby. Irgendwie hatte er es bis dorthin geschafft. Es herrschte Hochbetrieb. Restaurantgäste kamen und gingen, Hotelgäste in Abendgarderobe kehrten aus Oper oder Theater zurück.
    Â»Alles bestens«, erwiderte er mechanisch und kam sich vor wie ein Theaterbesucher, der aus dem Publikum auf die Bühne geholt worden war. Alle spielten ihre Rolle, nur er hatte keine Ahnung, worum es ging. Durch den Haupteingang auf die Straße, ins nächste Taxi, das erste in der Reihe.
    Â»St. Thomas Hospital«, sagte er.
    Der Fahrer sah in den Rückspiegel und musterte das wächserne Gesicht. »Sie sind aber nicht ansteckend, oder?«
    Â»Fahren Sie schon«, sagte Markus und holte sein Telefon heraus. Er musste jemanden anrufen. Mit Mühe gelang es ihm, sich zu erinnern.

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