Das Midas-Kartell
Steve?«
»Ich mache immer Erste Hilfe, das weiÃt du doch. Du solltest sehen, wie die Jungs oft nach dem Kampf ausschauen.«
»Das meine ich nicht. Ich meine das, was die Munition angeht. Und erzähl mir nicht, du kennst dich damit aus, weil du so oft CSI: Miami guckst.«
Steve wandte sich ab und wusch sich im Waschbecken die Hände. »Ach komm, Markus. Mein Vater war doch nicht nur bei euch angestellt, um euch in der Gegend herumzukutschieren. Das musst du doch gewusst haben.« Er griff zu einem Handtuch.
»Dass dein Vater mitgemacht hat, weià ich. Aber mir war nicht klar, dass du ebenfalls ins Geschäft eingestiegen bist.«
»Bin ich auch nicht. Also, jedenfalls nicht so richtig. Mehr als freiberuflicher Berater.« Er grinste.
Markus reagierte nicht darauf.
»Um ehrlich zu sein«, fuhr Steve sachlich fort, »waren wir alle ziemlich froh, als du nach seinem Tod alle seine Geschäfte abgewickelt hast. Der alte Herr war gut in seinem Job, aber Klubs zu leiten ist was für junge Leute. Vor allem wenn man nebenher auch noch Schutzgeld erpresst und Mädchen laufen hat. Man muss die Leute ständig daran erinnern, was sie für ein Mordsärger erwartet, wenn sie nicht parieren. Je älter man wird, desto schwerer fällt einem das.«
Markus schüttelte den Kopf. »Du wusstest, was er gemacht hat?«
»Mehr oder weniger.«
»Und fandest du das gut?«
»Ich konnte es mir einfach nicht aussuchen. Mein Vater hat mich sein Handwerk gelehrt, und ich bin in seine FuÃstapfen getreten. Er hatte nicht das Geld, um mich ins Internat zu schicken oder mir jahrelange Reisen quer durch die Welt zu finanzieren.«
Markus wollte protestieren â er war nicht einfach so durch die Welt gereist, nicht zum Vergnügen jedenfalls, er hatte sein Handwerk gelernt, er hatte für Geld fotografiert, wo es möglich war, und umsonst, wo es nicht möglich war, zum Beispiel in Zentralafrika, Südamerika oder Indien â, doch Steve lieà ihn nicht zu Wort kommen.
»Niemand hat dir das übelgenommen, Markus. Die wussten alle, dass du nicht die Nerven für das Geschäft hast, aber sie wussten auch, dass du dich aufs Kämpfen verstehst. Du hättest es im Eastend praktisch mit jedem aufnehmen können. Es war jedenfalls gut, dass du die Klubs verkauft und den Erlös aufgeteilt hast. Auf diese Weise konnte ich meinen Laden hier aufmachen.« Steves Telefon lieà einen schauderhaften Klingelton hören: Eye of The Tiger ,unterlegt von blechernem Technobeat.
»Für dich«, sagte er und reichte es an Markus weiter.
Markus hörte mit ausdrucksloser Miene zu und murmelte eine Antwort. Dann lieà er den Arm sinken, bis er ebenso taub und nutzlos an seiner Seite hing wie der andere, den Steve gerade verarztet hatte.
»Die Polizei war im Studio«, sagte er.
»Und?«
»Nichts. Keine Leichen. Keine Spuren. Nichts.«
12
Isaiah Schenkel überprüfte seine Mailbox. Da waren drei unbeantwortete Anrufe von seinem britischen Kunden und einer von seinem Boss, dem Mann, den CeLo Enterprises eingeschaltet hatte, um diese Mission zu leiten, Malcolm Fretwell. Typisch, dass er nur einmal angerufen hatte. Wenn man ihn nicht binnen einer Stunde zurückrief, musste man schon eine plausible Erklärung parat haben. Jacob hatte ihm den Spitznamen »Eule« verpasst, weil er eine platte Nase hatte, die eigenartige Pfeifgeräusche machte, wenn er wütend war: ein Vermächtnis aus seiner Zeit als Nahkampftrainer bei den Marines, wo ihm der Nasenknorpel mehr als einmal zertrümmert worden war. »Eule« nannte Jacob dafür »Klops«.
»Hier ist das London-Team mit einem Statusbericht, over.« Er benutzte einen Zerhacker, um das Signal zu verschlüsseln, und so dauerte es eine Weile, bis Malcolms Antwort zu ihm durchdrang.
»Sprechen Sie«, sagte eine ruhige Stimme.
»Charlie ist tot. Ich wiederhole: Charlie ist tot.«
Diesmal war die Pause bis zu Malcolms Antwort noch länger.
»Haben Sie den Umschlag?«
»Negativ.«
»Haben Sie die Zielperson?«
»Negativ. Wir warten noch auf die Ortung. Die Zielperson hat den Umschlag.«
Malcolm wischte sich mit einem Taschentuch den Schweià von der Stirn. Der Generator auf der Ranch war wieder einmal defekt, und die Deckenventilatoren funktionierten nicht. Viel schlimmer allerdings war, dass auch das Bier im Kühlschrank warm wurde.
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