Das Midas-Kartell
sich in Schwierigkeiten zu bringen.«
Es entstand erneut eine Pause. Dann sagte Mr Wiseman: »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir einen Gefallen tun könnten. Würden Sie das, was er Ihnen geschickt hat, abfotografieren und mir per E-Mail schicken? Vielleicht kann ich ja helfen. Ich kenne immer noch eine Menge Leute und könnte Erkundigungen einziehen.«
»Ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee ist. Seit ich den Umschlag habe, hat schon zweimal jemand versucht, mich umzubringen.«
Durch die Leitung drang ein seltsames Geräusch, wie ein halb ersticktes Lachen. »Ich bin siebenundsiebzig, und mein einziges Kind wird vermisst. Glauben Sie im Ernst, ich hätte noch etwas zu verlieren?«
Wiseman senior rollte seinen Rollstuhl an das Fenster, das auf den See hinausging, und blickte auf den Steg, an dem Daniels altes Segelboot vertäut war. Früher waren sie regelmäÃig auf den See hinausgefahren, wobei Daniel sich nie getraut hatte, an die Pinne zu gehen. Ihn hatte das immer zur Verzweiflung gebracht. Daniel war in allem das Gegenteil von ihm: Er war gesellig und offen, Daniel schüchtern und verschlossen. Er war mutig und draufgängerisch, Daniel scheute jedes Risiko. Er hatte gehofft, dass das Internat den Jungen aus der Reserve locken würde, doch es hatte den gegenteiligen Effekt gehabt. Daniel hatte sich noch mehr in sich zurückgezogen, einen Groll gegen seinen Vater entwickelt und sich regelrecht krankhaft an die Mutter geklammert, die ihm ständig Briefe und Päckchen schickte.
Edward Wiseman war klar, warum sich der Junge zu jemandem wie Markus hingezogen fühlte. Der Mann war kompromisslos und risikofreudig, er handelte, ohne sich zuvor über die Folgen Gedanken zu machen. Edward hatte jedoch gewisse Vorbehalte gegen ihn, nachdem er ein wenig in seiner Vergangenheit gestöbert hatte. Markusâ Name und seine Adresse in Daniels Adressbuch waren unterstrichen gewesen. Was Edward herausgefunden hatte, war allerdings nicht sehr beruhigend. Es wies zwar nichts darauf hin, dass er den gleichen schmutzigen Geschäften nachging wie sein Vater, doch das Haus in Chelsea, das ihm gehörte, war mit dem Einkommen eines Fotografen nicht zu finanzieren. Vielleicht hatte er ja das Vermögen seines Vaters geerbt â vielleicht aber auch nicht. Und man wusste ja nie. Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm, pflegte Elizabeth immer zu sagen.
24
Jacob und Isaiah saÃen hinten im Transit, der auf dem Parkplatz am Terminal drei stand.
»Er ist da drin«, sagte Jacob grimmig, die Augen auf die letzten Ortungskoordinaten von Steves Telefon gerichtet. »Willst du reingehen und ihn dir schnappen?«
»Zu riskant«, erwiderte Isaiah.
»Irgendwelche Bewegungen bei seinen Kreditkarten?«
»Nichts zu sehen, jedenfalls noch nicht.« Isaiah öffnete einen der Koffer und zog ein Paar Bermuda-Shorts und ein T-Shirt heraus. »Gib mir deine Kappe«, sagte er, schlüpfte aus seinen Jeans und in die Shorts. »Und das Kapuzenshirt, das du anhast.«
»Das hier?« Es war eines seiner Lieblingssweatshirts, eine Erinnerung an die Metallica-Tournee 2003. »Ist das nicht ein bisschen groà für dich?«
»Genauso soll es sein.« Isaiah setzte die Kappe auf und schob sich eine Sonnenbrille auf die Nase. »Wie seh ich aus?«
»Wie ein Mossad-Agent beim Glastonbury Festival.«
»Sehr witzig. Vielleicht solltest lieber du gehen. Sieht man den blauen Fleck in meinem Gesicht noch?«
»Mit der Sonnenbrille kaum.«
»Gut. Wir benutzen Handys, keine Headsets.«
Markus musste irgendwo einen Ort finden, an dem er ungestört den Inhalt des Umschlags ausbreiten und fotografieren konnte. SchlieÃlich schlüpfte er in einen Wickelraum und schloss die Tür hinter sich ab. Der Wickeltisch war für sein Vorhaben bestens geeignet. Er legte die Seite aus dem Reiseführer darauf und daneben die Sorgenpüppchen. Die Auflösung von Steves Handykamera war gut. Er ging systematisch vor, schoss jeweils eine Totale und zwei Nahaufnahmen, die er sofort per E-Mail an Edward Wiseman weiterleitete und anschlieÃend wieder löschte. Die Seiten mit den Zahlenkolonnen dauerten am längsten. Er hatte keine Ahnung, ob sie die richtige Reihenfolge hatten. Fünfundvierzig Minuten dauerte das Ganze, nur unterbrochen vom verärgerten Klopfen einer Mutter. » Beeilen Sie sich mal da drin. Was treiben Sie
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