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Das Midas-Kartell

Das Midas-Kartell

Titel: Das Midas-Kartell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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»Ich gehe mich umziehen.«
    Markus gehorchte. Da war so ein Unterton in ihrer Stimme. Ihre Mutter bombardierte ihn unterdessen auf Spanisch mit Fragen; er nickte höflich, obwohl er keine Ahnung hatte, was sie sagte. Gloria verschwand hinter dem Perlenvorhang und streifte ihr triefendes Kleid ab. Für einen kurzen Augenblick konnte er ihre nackte Haut sehen, während sie das Kleid in einen Wäschekorb warf. Markus spürte das gleiche Prickeln wie zuvor in der Hotellobby. Er wandte den Blick von der Tür ab und der Mutter zu, die plötzlich verstummt war und offenbar eine Reaktion von ihm erwartete.
    Â»Gloria, ich verstehe nicht, was Ihre Mutter sagt«, rief er.
    Â»Sie will wissen, was Ihr Beruf ist.«
    Â» Fotografía . Ich mache Fotos.« Er hielt sich eine imaginäre Kamera vor das Gesicht.
    Die Kiefermuskeln der Frau verspannten sich. Sie drehte sich um und rief ihrer Tochter etwas zu, bevor sie ins Schlafzimmer verschwand. Nach der wachsenden Lautstärke ihres Wortwechsels zu urteilen, mochte sie Fotografen nicht.
    Er wandte sich wieder der Wand zu. Da war das Foto eines Jungen, fünf oder sechs Jahre alt, der stolz vor einem Highschool-Fußballteam posierte. Markus stand auf, um sich das Bild genauer anzusehen. Der Kleine hatte durchaus Ähnlichkeit mit Gloria, doch im Großen und Ganzen sah er aus wie sein Vater.
    Der Perlenvorhang klimperte, als Gloria aus dem Schlafzimmer kam, gefolgt von ihrer Mutter. Wortlos griff die ältere Frau hinter der Eingangstür nach einer Jacke, die sie über ihren Morgenmantel zog, und verließ das Haus. Die Bilder erzitterten an der Wand, als sie mit Schwung das Eisengitter hinter sich zuzog.
    Â»Hab ich was Falsches gesagt?«, wollte Markus wissen.
    Gloria nahm eine Bürste und fuhr sich damit durchs Haar, ehe sie prüfend in den kleinen Spiegel über der Spüle blickte. »Sie denkt, Sie wollen mich für irgendein Schmutzmagazin ablichten.«
    Â»Im Ernst?«
    Â»Wäre nicht das erste Mal. Als ich noch ein junges Mädchen war, hat sie mich einmal bei einem dieser albernen Schönheitswettbewerbe angemeldet. Ich war sechzehn oder siebzehn. Jedenfalls habe ich gewonnen, und dann tauchte dieser Kerl bei uns auf, ein Fotograf, und wollte Bilder von mir machen. Allerdings solche, die eine Mutter niemals zulassen würde.« Gloria schüttelte den Kopf, griff in einem Regalfach nach Block und Stift und setzte sich neben ihn. »Okay. Was also soll ich Paulo sagen?«
    Markus runzelte die Stirn. »Ich muss wissen, wo Daniel Wiseman ist. Und ob er noch lebt.«
    Â»Das ist alles?«
    Â»Das ist alles.«
    Â»Geben Sie mir zehn Minuten.«
    Gloria ging zurück ins Schlafzimmer, doch sie wählte nicht Paulos Nummer, sondern die von Malcolm Fretwell. Zehntausend Dollar waren eine Menge Geld. Sie konnte unmöglich darauf verzichten. Solange sie das Päckchen ablieferte, würde Markus Cartright nichts geschehen. Während sie darauf wartete, dass Malcolm sich meldete, spähte sie durch die Perlenschnüre und sah zu, wie Markus sein Handy herausnahm und auf neue Nachrichten überprüfte. Er war groß gewachsen und sah aus, als könnte er zur Not auch durch die Wand gehen, wenn es sein musste. Allerdings hatte das hier nichts mit der Sporttasche zu tun oder mit den Polaroids und der Geschichte, die sich darum spann. Es ging einzig und allein um ihren Sohn.

44
    Daniel klopfte an die geschlossene Blechklappe über ihm. Er versuchte zu rufen, doch sein Mund war voller Wasser. Etwas davon geriet ihm in die Kehle, er würgte, brachte aber nicht die Kraft auf auszuspucken. Es war widerlich, abgestanden, aufgewärmt von der Mittagshitze, bitter von Urin und Exkrementen. Er hatte gehört, wie das Motorrad weggefahren war, und hoffte insgeheim, dass sie ihn wieder herausholten. Das taten sie nur, wenn der Amerikaner weg war. Daniel wusste nicht warum und wollte auch nicht den Anschein erwecken, als wüsste er, was los war, damit sie nicht plötzlich damit aufhörten, aber insgeheim flehte er das Motorengeräusch herbei. Das Geräusch des davonfahrenden Motorrads. Die Hoffnung darauf, sich ausruhen zu dürfen, seinen geschundenen Körper auf festen Boden betten und schlafen zu dürfen, erhielt ihn aufrecht. Nur deshalb hatte er noch nicht aufgegeben.
    Paulo hörte die Stimme und das Klopfen auf dem Metall. Der Boss war weg und hatte wie immer nicht gesagt, wohin er

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