Das Midas-Kartell
ging. Er war einfach weggefahren und hatte nur noch zurückgeschrien, Paulo solle gefälligst kein Bier trinken, wenn er es hinterher nicht aus eigener Tasche ersetze. Der Kerl war ein Schwein und behandelte einen wie den letzten Dreck. Paulo ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank und nahm ein Bier heraus. Er machte es auf, leerte es in einem Zug und nahm ein zweites. Dann ging er zum Tank. Es war, als würde Lazarus versuchen, sich mit bloÃen Fingern aus seinem Grab zu befreien. Paulo spielte schon länger mit dem Gedanken, den Gefangenen zu töten. Dazu musste er ihn nur herausholen, ihn auf ein Bett legen und ihm ein Kissen aufs Gesicht drücken. Es würde nicht lange dauern. Die Leiche konnte er später wieder in den Tank zurückbringen. Zumindest wäre damit sein Leiden beendet.
Das einzige Problem war Malcolm. Er würde wissen wollen, was passiert war. Und wenn einen der Mann mit seinem bohrenden Blick ansah, rückte man die Wahrheit heraus, ob man wollte oder nicht. Wenn Malcolm Paulo im Verdacht hatte, etwas mit dem Tod des Gefangenen zu tun zu haben, musste er mit dem Schlimmsten rechnen. Wahrscheinlich würden sie ihn in irgendeinen amerikanischen Militärknast stecken, wo sie ihn ohne Prozess festhalten würden, bis sie ihn über dem offenen Meer abwarfen oder sonst wie verschwinden lieÃen.
Paulo beugte sich über den Tank, entfernte den Balken, öffnete die Klappe und packte den Gefangenen um den Hals. Der Mann hatte keine Haare mehr und war am ganzen Körper wund. Es stank nach fauligem Fleisch. Die beiden offenen Wunden an seinem Bein waren entzündet. Paulo bekreuzigte sich, hob den Mann aus dem Wasser und trug ihn zu einem der Feldbetten. Dann ging er in die Küche und schnitt ein wenig Mango auf, um ihn damit zu füttern. Als der Gefangene seine Lippen um die Obstschnitze schloss, blieb einer seiner Zähne im Fruchtfleisch hängen und löste sich aus dem Kiefer. Paulo zog den Zahn aus dem Mangostück, damit der Mann sich nicht daran verschluckte, und hielt ihn angewidert hoch. Dann ging er zum Kühlschrank, nahm erneut ein Bier heraus, das er in einem Zug leerte, und griff nach einem weiteren, das er öffnete, um damit nach drauÃen zu gehen.
Daniel hörte, wie sich die Schritte auf dem Holzboden entfernten. Das Geräusch klang verhallt und fern, als ob er noch unter Wasser wäre. Er zwinkerte in den gelblichen Schein der einzelnen Glühbirne, die an der gegenüberliegenden Wand von einem Fleischerhaken baumelte, in die weiÃen Punkte, die das Licht in seine Netzhaut brannte. Da waren ein improvisierter Tisch aus Kartons und Holzbrettern und ein klappriger Campingstuhl. Er schloss die Augen wieder. Das Sehen kostete ihn so viel Mühe, dass ihm das Gehirn schwoll. Zumindest fühlte es sich so an.
DrauÃen ertönte heftiges Husten, dann spuckte jemand auf den Boden. Daniel öffnete die Augen wieder und brachte den letzten Rest seiner Kraft auf, um den Kopf zu heben. Da lag etwas auf dem Tisch. Das Licht fing sich darin. Und an der Wand verlief ein Kabel. Ein Computer? Ein Telefon?
Er versuchte, sich zur Seite zu drehen, aber er hätte genauso gut versuchen können, einen toten Elefanten zu bewegen. Er spürte, wie sich sein Ellbogen in seine Rippen drückte, und versuchte, sein Kinn über die Kante des Bettes zu schieben. Seine Hüftknochen stieÃen gegen den Metallrahmen. Er wuchtete seinen geschundenen Körper herum und schnappte nach Luft, als er auf dem Boden auftraf. Schmerzen zogen sich von seinen Hüften bis ins Rückgrat. Sein Fuà hatte sich an der Bettkante verfangen und war schmerzhaft verdreht; das Bett hatte sich bei seinem Sturz verschoben und war gegen die Kartons gestoÃen. Die Bretter verrutschten, und der Laptop glitt gefährlich in Richtung Boden. Rasche Schritte näherten sich von drauÃen, schwere Schritte, unter denen die Bodendielen ächzten. Neben Daniels Kopf erschienen staubige braune Lederstiefel. Er sah zu, wie die Kartons gerade gerückt wurden und der Laptop auf seinen Platz zurückkam. Zwei kraftvolle Hände packten ihn an den Armen und brachten ihn zurück zum Tank. Stupido, stupido , murmelte eine Stimme über ihm.
Danny schloss die Augen. Er hatte unter dem Computer etwas gesehen. Einen kleinen weiÃen Aufkleber mit einem blauen Logo. Ein Firmenzeichen, verblichen und zerkratzt. Kaum noch erkennbar. Er hatte es dennoch
Weitere Kostenlose Bücher