Das Midas-Kartell
die zu der Zuckerfabrik gehörten. Er hatte den Wagen an der dunkelsten Stelle abgestellt und die Frontlichter schon beim Hineinfahren ausgeschaltet. Sein Vertrauen in Gloria war nicht grenzenlos.
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Malcolm konnte den Wagen durch sein Nachtsichtteleskop sehen, das er auf die Pistole geschraubt hatte. Das Ding war keine Alternative zu einem richtigen Nachtsichtfernglas, aber in der Kürze der Zeit hatte er nichts Besseres auftreiben können. Gloria war ausgestiegen, das konnte er mit einiger Sicherheit sagen. Viel mehr konnte er aus der Entfernung nicht erkennen; es wäre einfacher gewesen, wenn sie an der Stelle gehalten hätten, die er ihr genannt hatte.
Auf Gummisohlen schlich er sich näher an den SUV heran, indem er sich an einer Betonmauer entlangtastete. Die verdammte Karre schien sich irgendwie in Luft aufgelöst zu haben. Da, auf der Seite, bewegte sich etwas; Licht aus einem Türspalt blitzte auf und zerriss das verrauschte Bild seines Fernrohrs. Er senkte es, zwinkerte ein paarmal und spähte in die Richtung, in der er den Wagen vermutete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Das war das Problem an diesen Nachtsichtgeräten: Wenn man sie abnahm, war man erst einmal so gut wie blind. In dem Moment war jeder, der sich schon länger im Dunkeln bewegte, im Vorteil, denn er konnte zumindest Konturen ausmachen. Dicht an die Wand gepresst blieb Malcolm regungslos stehen und starrte in Richtung des Autos. Allmählich lernten seine Augen, die Schatten zu unterscheiden. Da, neben der Wagentür. Stand sie einen Spaltbreit offen? Vorsichtig bewegte er sich darauf zu, hielt dann aber inne. Ob sich Charlie genauso angeschlichen hatte? Um das Ziel zu überrumpeln, eiskalt zu erwischen? Charlie war jung und topfit gewesen, er war gerade erst aus den Special Forces ausgeschieden. AuÃerdem wusste Malcolm aus seiner Akte, welche Nahkampferfahrung er hatte. Trotzdem hatte Markus Cartright ihn einfach kaltgemacht. Auch Isaiah hatte zweimal versucht, ihn zu liquidieren, und war beide Male gescheitert.
Den Blick auf den Wagen gerichtet stand Malcolm ohne jede Regung da. Er würde nicht denselben Fehler machen. Die Innenbeleuchtung müsste eingeschaltet sein. Warum sollte Cartright im Dunkeln sitzen? Irgendetwas stimmte da nicht.
Gloria ertastete sich behutsam ihren Weg durch die Fabrik, vorbei an Zuckerrohr, das an den Wänden aufgereiht war. Wie lange würde sie wohl warten müssen? Malcolm hatte ihr versprochen, dass er sie auf dem Motorrad zurück in die Stadt mitnehmen würde. Es sollte jetzt zu Ende sein, das Ganze, sie wünschte sich nichts mehr, als wieder in ihrem engen kleinen Häuschen zu sein und sich die Tiraden ihrer Mutter anzuhören, über ihre Kochkünste, das Fernsehprogramm und was ihr sonst noch so einfiel. Sie blickte auf ihre Armbanduhr und lehnte sich gegen die Wand.
Markus lieà sie nicht aus den Augen, während er Ausschau nach dem Mann hielt, mit dem sie sich verabredet hatte. Sie zog eine Zigarette heraus und zündete sie an. Im Schein der Feuerzeugflamme leuchtete ihr Gesicht kurz auf, und die Glut glomm rot hinter bläulichem Rauch. Ihr Handydisplay schimmerte grünlich. Er wartete, ohne sich zu rühren. Irgendetwas stimmte nicht. Sie war an einer beliebigen Stelle stehen geblieben, ohne jegliche markante Merkmale, an denen man einen Treffpunkt festmachen konnte. Es sah nicht so aus, als erwartete sie jemanden, nicht hier. Sie wartete einfach nur. Markus zog sich hinter einen Pfeiler zurück. Es war ihm vertraut, dieses Spiel, das Warten auf den richtigen Moment.
Im Stillen zählte er die Minuten und beobachtete, wie Gloria sich eine weitere Zigarette anzündete und prüfend auf ihr Handydisplay sah. Rasch wanderte die rot glühende Spitze ihrer Zigarette auf ihren Mund zu, von nervösen Zügen beschleunigt. Sie blickte erneut auf ihr Handy und wählte dann eine Nummer.
Markus lauschte. Durch das gedämpfte Brummen entfernter Maschinen und das leise Rauschen der StraÃe hörte er das Summen eines Vibrationsalarms. Die Person, die sie anrief, war ganz in der Nähe â und kam immer näher.
Malcolm sah auf die Anruferkennung. Es war Gloria. Was zum Henker sollte das? Er duckte sich in einen Eingang. Vor ihm zeichnete sich vage eine Kontur hinter dem grünen Schimmer eines Handys ab. Das war bestimmt sie. So würde sie die ganze Sache noch vermasseln. Sie musste das Ding
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