Das Midas-Kartell
aufschlieÃen.
Sie parkte immer in einer SeitenstraÃe nahe dem Kindergarten. Er würde das Moped stehen lassen, neben ihr einsteigen und ihr befehlen, nach Vauxhall zu fahren. Das würde für zwei Tage gehen. Das Wichtigste war, den Range Rover von der StraÃe verschwinden zu lassen. Dieser Schlappschwanz von Freund würde wahrscheinlich gar nicht merken, dass die beiden weg waren, da er hauptsächlich damit beschäftigt war, sein Spiegelbild in der Windschutzscheibe seines Porsche zu bewundern. Der Zeitrahmen aber war ein heikler Punkt. Geiseln länger als ein oder zwei Tage festzuhalten, das war nicht sein Ding. Dafür war er nicht ausgebildet. Aber sobald Eule Markus Cartright die Nachricht von der Entführung seiner Tochter übermittelt hätte, würde es nur noch eine Frage von Stunden sein. Jacob würde mit der Sache gar nicht glücklich sein. Kinder machten ihn nervös. Er konnte es nicht ertragen, wenn welche in der Nähe waren. Komische Macken, die er manchmal hatte.
Isaiah schloss bis auf eine Wagenlänge zu dem Range Rover auf, während der Ford weiterfuhr. Die Mutter stieg aus und machte sich routiniert am Kindersitz zu schaffen.
Es war nicht das erste Mal, dass Isaiah ein Kind als Druckmittel einsetzte. Vor Jahren, in der Westbank, hatten sie Informationen über einen palästinensischen Selbstmordattentäter gebraucht. Es war eine Erinnerung, die er nicht oft hervorkramte. Die dunkle, muffige Wohnung. Der plärrende Fernseher, das panische Geschrei der Familie, die vom Frühstückstisch hochfuhr. Müsli und Milch überall auf dem FuÃboden verteilt.
Es war gar nicht so schwer gewesen, wie Isaiah gedacht hatte. Genauso wie bei einem Erwachsenen, nur dass weniger Kraft erforderlich war. Die GliedmaÃen lieÃen sich viel leichter nach hinten biegen, erst die Hände, dann die Ellbogen. Der Vater wusste entweder nichts über den Attentäter, oder er war ein Fanatiker, der seine Sache über das Wohl seines Kindes stellte. Als letzte MaÃnahme setzte Isaiah dem Jungen die Waffe ins Genick. Seiner Schätzung nach war er zirka acht Jahre alt. Isaiah erinnerte sich noch an sein dunkles Haar, das ihm in Büscheln vom Kopf abstand. Wahrscheinlich hatten sie ihn in der Schule deswegen gehänselt.
Isaiah hatte ihn nicht töten wollen, aber als plötzlich alle aufschrien, zuckte der Junge zusammen, und es löste sich ein Schuss. Die Leiche fiel zu Boden. Erst herrschte Stille, und alle blickten auf Isaiah. Dann brach totale Hysterie aus. Isaiah schoss ein paarmal in die Zimmerdecke, um irgendwie wieder Ruhe herzustellen. Der Vater stürzte sich auf ihn, und er schlug ihn mit der Pistole nieder. Vielleicht wäre es gnädiger gewesen, ihn auch gleich zu erschieÃen.
Noch am selben Nachmittag lieferte Isaiah seinem vorgesetzten Offizier einen vollständigen Bericht ab. Der Mann war voller Verständnis. In prekären Situationen passierten nun einmal Fehler, und schlieÃlich kämpften sie gegen einen skrupellosen und verblendeten Feind. Zivile Opfer seien unvermeidlich, wenn es darum gehe, die Sicherheit Israels aufrechtzuerhalten. Isaiah hatte genickt und sich sofort wieder mit neuem Eifer in die Arbeit gestürzt, statt sich, wie angeboten, für eine Weile freizunehmen. Er hatte tief in menschliche Abgründe geblickt, doch statt Reue oder Schuld zu empfinden, erkalteten seine Gefühle. Für die Menschen, deren Leben er zerstört hatte, empfand er nur Verachtung. Ihre Trauer machte sie schwach, die Liebe für ihre Familie verwundbar. Er, Isaiah, kannte solche Schwächen nicht. Seine Eltern waren bei einem palästinensischen Raketen angriff umgekommen, als er zwölf war. Es war wie ein gro Ães Schachspiel, dieser beständige Kampf zwischen dem Mutterland und seinen Angreifern, und Isaiah hatte nicht mehr Gefühle als eine der hölzernen Spielfiguren, die von meisterlicher Hand gelenkt wurden.
Die Mutter nahm das Kind bei der Hand. Pummelärmchen, blonde Löckchen, Engelsgesicht. Er spürte wieder Verachtung in sich aufsteigen. Die Mutter hielt inne und angelte etwas aus ihrer Handtasche, eine Spange, die sie dem Kind ins Haar klemmte. Dann waren sie durch die Tür zum Kindergarten verschwunden. Der Fahrer des Fords war ausgestiegen und joggte die StraÃe auf und ab. Der Typ sollte sich wirklich eine bessere Tarnung zulegen. Von ihm war jedenfalls nichts zu befürchten. Wer
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