Das Midas-Kartell
so Menschen bestrafen. Verhaftet wurde deswegen noch nie jemand. Es gibt nur diese Geschichten. Es ist das Erkennungszeichen eines bestimmten Kartells. Manchmal lassen sie die Opfer leben, manchmal lassen sie sie ausbluten.«
Markus nickte und nahm die Polaroids wieder an sich. Dann griff er in die Tasche und fischte den Zeitungsartikel heraus. »Sagt Ihnen das hier etwas?«
Sie las kurz darüber. »Alberto Gonzalez, ein prominenter Politiker. Wurde vor drei oder vier Monaten wegen Korruption verhaftet.«
»Was hat er mit dem Ganzen zu tun?«
»Keine Ahnung, woher soll ich das wissen?« Sie klang verzweifelt. »Ich weià nur, dass ich einen Amerikaner beschattet habe und dann Sie, und dass die mich dafür bezahlen. Aber jetzt werde ich garantiert keinen Cent bekommen, das heiÃt, ich bin so oder so am Arsch.«
Markus sah sie an. »Werden Sie mir helfen?«, fragte er schlieÃlich. »Und Ihren Freund Paulo anrufen?«
Gloria schloss die Augen. Sie wollte sich nur noch ins Bett legen und schlafen und morgen in einem anderen Körper aufwachen, als ein anderer Mensch, an einem anderen Ort. Sie öffnete die Augen wieder. Das Gesicht ihr gegenüber war nicht übel. Aber in diesen Zügen lag etwas, so wie er die Mundwinkel nach unten zog, der Blick aus seinen Augen, ein Ausdruck von Härte und Entschlossenheit. Die Warnung, dass etwas Schlimmes passieren könnte, wenn sie Nein sagte.
»Als Erstes gehen wir zu mir. Ich muss mich umziehen. Und dann kann ich meinetwegen Paulo anrufen.«
42
Flood Street, London, acht Uhr morgens
Zwei Dinge beschäftigten Isaiah Schenkel: erstens der dunkelhaarige Jogger, der jedes Mal auftauchte, wenn Cartrights Ex mit ihrem Kind das Haus verlieÃ, und zweitens die bedenkliche Menge Schmerzmittel, die er schlucken musste, um seine gesplitterten Wangenknochen halbwegs zu betäuben.
Beides machte ihm seinen Job schwierig und verschärfte seine Abneigung gegen diese herausgeputzte Tussi mit ihrem Designerkind, die jetzt die Stufen vor ihrer Eingangstür herunterkamen. Die Mutter stank förmlich nach Geld. Ein Luxusweib, besessen von Status, zerfressen von Ehrgeiz. Er fragte sich, ob sie in dieses Leben hineingeboren war oder ob ihr Fernsehjob sie dahin gebracht hatte. Wahrscheinlich beides. Wie um alles in der Welt war sie nur an diesen abgehalfterten Quartalssäufer Markus Cartright geraten? Vielleicht mag sie es brutal, dachte er und verengte die Augen, als sie sich in ihrem Minirock vorbeugte, um ihre Tochter hochzuheben.
Eule hatte ihm aufgetragen, ihren Alltag auszukundschaften und einen Plan B zu entwickeln. Aber er hatte nichts davon erwähnt, dass die Familie eine Leibwache hatte. Der Jogger konnte nichts anderes sein. Er rannte sogar wie ein Exsoldat, mit vorgereckter Brust und im stampfenden Rhythmus einer Kriegstrommel.
Die Mutter öffnete die Fondtür ihres absurd groÃen Autos und hob das kleine verzogene Prinzesschen hinein. In einer zwei Tonnen schweren Range-Rover-Luxuskarosse fünfhundert Meter weiter in den Kindergarten gefahren zu werden! Der Jogger verlangsamte sein Tempo, grub in seiner Hosentasche nach seinem Autoschlüssel und öffnete dann die Tür eines grauen Fords. Wen wollte er damit aufs Glatteis führen? Kein Mensch parkte in irgendeiner Londoner WohnstraÃe, um von dort aus zu joggen. Der Range Rover fuhr los. Wenige Augenblicke später folgte der graue Ford.
Isaiah schwang sich auf sein Moped. Er hatte es nicht eilig, denn er wusste, wohin sie fuhren. Der Kindergarten lag in Battersea, auf der anderen Seite der Brücke. Er kannte den Weg und hatte auch schon festgelegt, an welcher Stelle er zugreifen wollte.
Er würde sie beide mitnehmen, Mutter und Tochter. Wenn sie nur das Kind hätten, würde die Mutter die Geschichte im Handumdrehen in alle Zeitungen bringen. AuÃerdem könnte sie sich um das Kind kümmern und dafür sorgen, dass es nicht herumschrie. Der Range Rover fuhr auf die Ampel zu und lieà ein älteres Pärchen über die StraÃe, das aus dem Battersea Park herausgekommen war. An der Stelle würden sie es machen. Zuerst würde er den Fahrer des Fords auÃer Gefecht setzen. Jacob könnte einen FuÃgänger mimen, der über die StraÃe wollte, genau zwischen Ford und Range Rover. Er, Isaiah, würde mit dem Moped von hinten heranfahren, dem Ford die Hinterreifen aufschlitzen und sofort zum Range Rover
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