Das Midas-Komplott - Thriller
den Auftrag zu übernehmen.«
»Und Sie hatten keinerlei gemischte Gefühle dabei?«
»Doch. Andererseits kam mir die Sache ziemlich harmlos vor. Ich bat Aiden MacKenna, einen meiner Leute, das Manuskript unter die Lupe zu nehmen. Einfach so, aus Neugierde. Er fand nichts. Dann, einen Monat nachdem ich fertig war, veröffentlichte Scotland Yard die Fotografie einer alten Handschriftseite, die meiner Arbeitsvorlage entsprach. Erst da erfuhren wir, dass sie zu einem Codex gehörte, der aus einem Londoner Auktionshaus gestohlen worden war.«
»Haben Sie sich mit der Polizei in Verbindung gesetzt?«
»Ja, aber Orr war schon untergetaucht.«
»Wie lange haben Sie an dem Ding gearbeitet?«
»Etwa drei Monate. Ohne die Hilfsmittel, die mir bei Gordian zur Verfügung standen, hätte es noch länger gedauert, die Zeichnungen zu entziffern.«
»Trotzdem ergibt es keinen Sinn«, sagte Stacy.
»Und warum nicht?«
»Wenn er die Fähre in die Luft gejagt hätte, wäre das Geolabium zerstört worden. Warum ist er das Risiko eingegangen, etwas zu verlieren, das so zeitaufwendig zu bauen ist?«
Tylers Haut prickelte bei dem Gedanken, wie knapp sie einem dauerhaften Wohnsitz im Puget Sound entgangen waren.
»Orr ist anscheinend der Meinung, dass Sie und ich die einzigen Menschen auf der Welt sind, die das Rätsel des Archimedes lösen können. Hätten wir versagt, wäre das Geolabium sowieso wertlos für ihn gewesen. Jetzt, wo wir es bedienen können, kann er nicht mehr auf uns verzichten. Wir und das Geolabium gehören zusammen. Pauschalgeschäft.«
»Das ist doch verrückt«, sagte Stacy.
Ihre kolossale Untertreibung veranlasste Tyler, den Kopf zu schütteln.
»Was finden Sie daran verrückt? Dass Orr glaubt, es gäbe ›die Gabe des Midas‹? Oder dass er denkt, Archimedes habe ein Gerät gebaut, das uns zu Midas führt?«
11. KAPITEL
Der Lieferwagen verlangsamte die Fahrt, aber da man Sherman Locke die Augen verbunden hatte, wusste er nicht, ob sie sich lediglich einer weiteren Abbiegung näherten oder ihr Ziel erreicht hatten.
Seit über einer Stunde waren sie nun unterwegs, die meiste
Zeit waren sie zügig gefahren. Sie konnten im District of Columbia sein, Virginia, Maryland, Pennsylvania oder West Virginia. Während er bewusstlos war, hatte man ihn geknebelt und an Armen und Beinen gefesselt in einen Lieferwagen geworfen. Der falsche Hotelangestellte fuhr, der unechte Captain saß hinten bei ihm. Man hatte ihn gründlich durchsucht und ihm Autoschlüssel, Brieftasche und Telefon abgenommen.
Bevor man ihm die Augen verband, sah Sherman ein Mädchen auf dem Boden des Lieferwagens liegen. Sie war bewusstlos, er konnte aber weder Prellungen noch Blutspuren erkennen, deshalb ging er davon aus, dass man sie betäubt hatte. Er kannte sie nicht. Warum ausgerechnet sie beide entführt wurden, war ihm schleierhaft. Das blonde Mädchen, das Ende zwanzig sein mochte, wirkte sehr sportlich. Das könnte sich als nützlich erweisen, wenn die Zeit gekommen wäre, einen Ausbruch zu versuchen.
Seinen Knebel hatte man vor der Fahrt entfernt, aber es war dem General nicht gelungen, seinen stoischen Wärter auszuhorchen. Er solle gefälligst die Klappe halten, sonst würde er ihn gleich wieder knebeln. Aber um den General einzuschüchtern, hätte sich der Mann etwas Besseres einfallen lassen müssen.
Als ehemaliger Kampfflieger hatte der General zu Beginn seiner Laufbahn am sogenannten Überlebens-, Ausweich-, Widerstands- und Fluchttraining der Air Force teilgenommen. Nun wünschte er sich, er hätte irgendwann an einem Auffrischungslehrgang teilgenommen. Vielleicht hätte er sich dann nicht so leicht übertölpeln lassen. Seine Entführung wurmte ihn sehr.
Wie er weiter vorgehen würde, hing davon ab, warum man sie entführt hatte. Ging es dabei nur um schnelles Geld? Hatte auch die Frau Verbindungen zum Pentagon, und wollte man sie beide foltern, um an Informationen zu gelangen? Der reibungslose Ablauf der Operation legte nahe, dass diese Männer
nicht x-beliebige kleine Gauner waren. Sie hatten ihn am helllichten Tage entführt, hatten sich vor Hunderten von Zeugen gezeigt. Das bedeutete entweder, dass sie alles auf eine Karte setzten, oder einen sehr guten Plan ausgeheckt hatten. Er tippte auf Letzteres.
Der Lieferwagen hielt an. Der General hörte das Scheppern eines sich öffnenden Tores. Für eine private Garage klang es zu groß und zu laut, es musste das Tor zu einem gewerblichen Gebäude sein.
Der Lieferwagen
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