Das Midas-Komplott - Thriller
zuckte nervös. Auch Tyler war plötzlich besorgt. Das klang gar nicht gut. Aber zurück konnten sie nun nicht mehr. Am besten hörten sie sich an, was ihre Gastgeberin zu sagen hatte. Sie gingen wieder zu ihren Sesseln.
»Sie kennen ganz offensichtlich eine alte Handschrift, die gestohlen wurde, bevor ich sie kaufen konnte«, begann sie. »Sie enthält einen Hinweis auf eine Karte, die zum Schatz des Königs Midas führen soll.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Tyler.
»Weil Dr. Benedict hier anrief und sich nach einem Rätsel des Archimedes erkundigte. Wenn man den Codex nicht
kennt, gibt es keinen Grund, sich meine Wachstafeln ansehen zu wollen.«
»Sie ziehen voreilige Schlüsse.«
»Keineswegs.« Sie holte tief Luft. »Ich war neun Jahre alt, da sind ein Junge und ich in meiner Heimatstadt Neapel in die Kellerwohnung eines verfallenen Hauses eingedrungen. Wir entdeckten ein geheimes Zimmer, von wo aus es in ein unterirdisches Labyrinth ging. Hinter einer Biegung hörten wir die Stimmen zweier Männer. Wir krochen zu ihnen, bis wir sehen konnten, dass sie Säcke mit weißem Pulver in Holzkisten stapelten. Da haben wir begriffen, dass das geheime Zimmer dazu diente, Drogen vor der Polizei zu verstecken.«
Ihr Blick war in weite Ferne gerichtet, als sie in Gedanken wieder in die Vergangenheit eintauchte.
»Die Männer mussten uns gehört haben, denn sie schwiegen plötzlich und kamen dann in unsere Richtung gerannt. Der eine schwang einen Kuhfuß, der andere schoss mit einer Pistole auf uns. Wir konnten nicht mehr zurück zu der Stelle, von der aus wir das Labyrinth betreten hatten. Die beiden Männer hetzten uns durch die dunklen Gänge. Sie fluchten, ihr Boss würde sie umbringen, wenn wir entkämen und ihr Geheimnis verrieten. Auf unserer kopflosen Flucht verliefen wir uns. Wir rannten viele Kilometer, doch die Männer blieben uns auf den Fersen. Bis wir im Schein unserer Taschenlampen auf einmal etwas aufleuchten sahen. In dem Glauben, dass wir endlich ans Tageslicht gefunden hätten, hetzten wir weiter.«
Jetzt erst wurde Tyler bewusst, dass er auf die Kante seines Sessels gerutscht war. Gia Cavano erzählte viel packender und ausführlicher als Orr.
»In einem höhlenartigen Gewölbe, das ganz und gar aus Gold war, hielten wir an. Sie denken vielleicht, dass ich übertreibe, aber es war wirklich so, dass jede Oberfläche metallisch
glänzte. In der Mitte stand ein goldenes Podest, darauf lag eine Frau. Sie war bis in jede Einzelheit lebensgetreu nachgestaltet und, abgesehen von einer fehlenden Hand, unversehrt. An einem Ende der Höhle brodelte es heiß in einem kleinen See. Am anderen Ende des Raumes stand auf einer Art natürlicher Empore der Sarg des König Midas.«
»Wieso wussten Sie denn, dass es der Sarg des Midas war?«, fragte Stacy kritisch.
»Weil wenig später etwas geschah. Wir versteckten uns hinter der goldenen Frau, obwohl wir fürchteten, dass man uns dort gleich entdecken würde, aber es gab keinen Ausgang aus der Höhle. Wir saßen in der Falle. Nur als die Männer das Grabgewölbe betraten, vergaßen sie uns vollständig.«
»Verständlich«, sagte Tyler.
»Nachdem sie ein paar Minuten lang ehrfurchtsvoll alles bestaunt hatten, brach ein Streit zwischen ihnen aus. Sie waren sich uneins, was sie mit dem Schatz tun sollten. Sie hatten nicht vor, ihren Boss einzuweihen, konnten sich aber nicht darüber einigen, wie man das Gold unbemerkt wegschaffte. Vermutlich glaubten sie, in dem Sarkophag wären Goldbarren oder Münzen versteckt und wollten nachsehen. Doch kaum war der mit einer Pistole bewaffnete Mann am Sarg angelangt, erschlug ihn sein Komplize hinterrücks mit seinem Kuhfuß. Er nahm die Pistole an sich und steckte sie sich in den Hosenbund. Dann wuchtete er den Sargdeckel gerade so weit hoch, dass er mit der Hand hineinreichen konnte. Keine Sekunde später zog er sie jedoch mit einem schrillen Schrei heraus, als wäre er gebissen worden. Der Deckel fiel polternd wieder auf den Sarg.«
»Was war denn passiert?«
»Das weiß ich nicht. Er hielt die Hand von sich, als stünde sie in Flammen. Er versuchte, sie an seiner Hose abzuwischen, schrie aber nur umso lauter. Als Nächstes fuhr er sich mit der
Hand an die Kehle. Vor Qualen taumelnd, rutschte er aus und fiel in den See.«
Ihre Augen glänzten vor Begeisterung.
»Da geschah das Wunder. Wir verließen unser Versteck, um den Mann im Wasser zu beobachten. Und wir wurden Zeuge, wie sich seine Hand ganz
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