Das Midas-Komplott - Thriller
Schreibtisch hervor. Sein gestreiftes Hemd, das über dem Bauch spannte, hatte schon bessere Tage gesehen. Wie viele Archäologen sah er nicht danach aus, als würde er den ganzen Tag mit Hanteln trainieren.
»Dr. Lumley«, begrüßte ihn Grant.
»Und Sie müssen Grant Westfield sein«, erwiderte der Archäologe. Er sprach es zwar nicht aus, aber seine hochgezogenen Brauen machten deutlich, dass er nicht damit gerechnet hatte, von einem bulligen Ringer aufgesucht zu werden. »Ich freue mich, dass Sie zu mir kommen.«
»Und ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich nach so kurzfristiger Anmeldung Zeit für mich nehmen.«
»Keineswegs. Keineswegs. Der alte Codex, von dem Sie sprachen, hat mich neugierig gemacht.«
In der Hoffnung, Stacys Ruf würde ihm einen Termin bei einem der Kuratoren verschaffen, hatte Grant sich als Berater ihrer Sendereihe ›Jagd auf die Vergangenheit‹ ausgegeben. Die Zentrale hatte ihn zu verschiedenen Archäologen durchgestellt, und Dr. Lumley war schließlich bereit gewesen, den Anruf anzunehmen.
Nach ihrem Gespräch hatte er dem Archäologen eine Seite des Originals gefaxt, das zu dem Abschnitt der Handschrift gehörte, den sich der Gelehrte ansehen sollte. Von Archimedes oder Midas war darin nicht die Rede, nur von Herakles und Aphrodite. Da das Manuskript vor der Auktion nicht der Fachwelt vorgestellt worden war, konnte der Kurator nicht wissen, dass er es mit der gestohlenen Abschrift der Abhandlung des Archimedes zu tun hatte.
Dr. Lumley wies auf einen Stuhl. »Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
Sie setzten sich, und Grant erzählte seinem Gegenüber kurz, warum er sich für den Codex interessierte, insbesondere für die Stelle, die sich auf den Sitz des Herakles und die Füße der Aphrodite bezog. Dann zeigte er ihm die übersetzte Textpassage. Dr. Lumley ließ sich volle zehn Minuten Zeit, sie zu lesen. Bei einigen Stellen holte er überrascht tief Luft.
Schließlich sah er auf und sagte: »Bemerkenswert.«
»Können Sie uns helfen, die Stelle zu deuten?«
»Ich glaube, ja. Oder wenigstens zum Teil. Aber ich würde die Marmorbilder gern noch einmal in Augenschein nehmen, bevor ich mich zu ihnen äußere.«
»Großartig«, sagte Grant. »Sehen wir sie uns an.«
»Entschuldigen Sie, aber vorher muss ich noch einen Kollegen anrufen, bevor er das Haus verlässt.«
»Kein Problem. Ich gehe schon voraus.«
»Gut. Wenn Sie die Strecke zurückgehen, die Sie gekommen sind, finden Sie Wegweiser, die Sie direkt zu den sogenannten Elgin Marbles führen. Ich bin gleich bei Ihnen.«
Beschwingt von der Aussicht auf neue Informationen nahm Grant immer gleich zwei Stufen auf einmal. Er war neugierig, was Dr. Lumley ihm erzählen würde. Hoffentlich ließ er ihn nicht zu lange warten.
Kaum war Grant Westfield außer Hörweite, nahm der Archäologe, der sich scheute, seinen Anruf über die Zentrale laufen zu lassen, sein Handy zur Hand. Er wählte eine Nummer.
Beim zweiten Klingelton meldete sich eine weibliche Stimme. Mit zitternder Stimme sagte Dr. Lumley: »Ich glaube, ich habe gefunden, was Sie suchen.«
21. KAPITEL
Hätte Tyler die Wahl gehabt, hätte er lieber auf dem Absatz kehrtgemacht, statt der Aufforderung Gia Cavanos Folge zu leisten, in ihrem Arbeitszimmer auf sie zu warten, während sie ihr Pferd in den Stall brachte.
Der getäfelte Raum auf der Rückseite des Hauses bot einen spektakulären Blick über die vielen Hektar Weideland, die zu dem Landsitz gehörten. Seitlich sah man die Stallungen liegen. Im offenen Kamin brannte ein Feuer, das die kalte Zugluft in Schach halten sollte, die von den hohen Fenstern kam.
Ein braungebrannter, muskulöser »Assistent« der Hausherrin mit viel Gel im Haar hatte sie zu dem Zimmer geführt. Er ließ sie allein und schloss die Tür hinter sich. Tyler war sich ziemlich sicher, dass er sie bewachte. Es war auch nicht auszuschließen, dass man sie belauschte.
»Glaubst du, Orr hat uns ins offene Messer laufen lassen, weil er wusste, dass seine alte Freundin die Wachstafeln besitzt?«, flüsterte Stacy.
»Nein, ich glaube nicht«, erwiderte Tyler.
»Und doch haben wir nicht aufgepasst«, fuhr sie fort.
»Wieso?«
»VLP — ich wette, das steht für Volpe Industries, und das ist Italienisch für Fuchs. Orr nannte sie ›der Fuchs‹. Ihr Spitzname vermutlich.«
Es wäre ihnen im Traum nicht eingefallen, dass ausgerechnet Orrs Erzfeindin im Besitz einer der fehlenden Schlüssel zu dem Rätsel wäre.
»Glaubst du, sie weiß,
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