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Das Millionen-Bewußtsein

Das Millionen-Bewußtsein

Titel: Das Millionen-Bewußtsein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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Natürlich nicht!« Der Graue kicherte schadenfroh. »Du kannst sie nicht verlieren, aber benutzen kannst du sie auch nicht! Weil du als Kind die alten Geschichten glaubtest. Und der primitive Teil deines Geistes hält an diesem Glauben fest. Habe ich recht? Natürlich nahm die Liebe dir deine Kräfte nicht, teure Schwester. Aber sie ist für einen psychologischen Block verantwortlich, der dich daran hindert, sie anzuwenden. Meinst du nicht ...«
    Eileen trat einen Schritt zurück und warf ihre Arme hoch. Sie überkreuzte mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand jene der linken, daß sie ein Gitter vor ihren Augen bildeten, durch das hindurch sie auf den Grauen blickte. In schnellem Rhythmus deklamierte sie:
     
    Licht flucht dem Dunkel, und beide dem Grau.
    Ein Stein, ein Vogel; eine Eiche, die krumm,
    Sie werden dein Stöhnen hören auf dämmriger Au.
    Pater sonris maleorum ...
     
    »Zwecklos! Zwecklos!« brüllte der graue Mann und schüttelte sich vor Lachen. »Alles, was dir geblieben ist, sind leere Worte. So, und nun kümmere ich mich um Sant.«
    Er deutete mit dem linken Zeigefinger auf Chaz. Ohne Vorwarnung fand dieser sich in einer anderen Umgebung.

 
5.
     
    Erst glaubte Chaz, die örtliche Versetzung habe ohne Zeitverlust stattgefunden. Aber dann hielt er es doch für wahrscheinlicher, daß er zwischen dem letzten Augenblick, an den er sich erinnerte, und seinem Erwachen bewußtlos gewesen sein mußte.
    Er schien sich im Nichts zu befinden. Dunkle, feste Endlosigkeit hüllte ihn ein, und er kam sich vor wie ein in Bernstein eingeschlossenes Insekt. Er fühlte nichts auf seiner Haut, weder Wärme noch Kälte. Er konnte nicht einmal sicher sein, daß er atmete.
    Um ihn herrschte absolute Stille – oder doch nicht? Er wurde sich eines regelmäßigen Geräusches bewußt, das er schließlich als seinen Herzschlag erkannte. Er bemühte sich mit aller Willenskraft, seinen Kopf nach links zu drehen. Er konnte nicht feststellen, ob er sich tatsächlich bewegte, aber als er sich damit plagte, hörte er eine Art Schaben, das von hinter ihm zu kommen schien. Da wußte er, in welcher Situation er sich befand, auch wenn dieses Wissen ihm wenig nutzte.
    Das schabende Geräusch war das seiner sich bewegenden Halswirbel, und er befand sich zweifellos in einer Isolierkammer, vermutlich in irgendeiner Flüssigkeit schwimmend. Eine längere Zeit hier zu verbringen, wo alle seine Sinne ausgeschaltet waren, würde den Verlust seiner Erinnerung bedeuten. Es wäre dann sogar ohne weiteres möglich, ihn mit künstlichen Erinnerungen zu füttern.
    Er strengte sich an, beide Arme und Beine auszustrecken, etwas damit zu berühren – irgend etwas. Aber er fühlte nichts. Er konnte nicht einmal mit Gewißheit sagen, ob seine Arme und Beine ihm gehorcht hatten, nur daß er vermeinte, ein schwaches Knacken seiner Gelenke vernommen zu haben. Er gab es auf, seine Umgebung berühren zu wollen und lag völlig still. Das war das einfachste.
    Er ertappte sich dabei einzuschlummern. Das durch seinen Schrecken ausgelöste Adrenalin brachte sein volles Bewußtsein zurück. Er durfte keinesfalls einschlafen. Nein, er mußte wach bleiben und einen Anhaltspunkt für seine Lage finden. Wenn er nur irgendwie die Zeit messen könnte, das würde schon helfen. Sein Herzschlag fiel ihm ein, und er begann ihn zu zählen. Sechzig Schläge müßten ungefähr eine Minute ergeben.
    Aber es half nichts. Er gewann allmählich den Eindruck, daß er nicht länger bewegungslos hing, sondern langsam, aber stetig einen dunklen Abhang hinunter geradewegs in die Unendlichkeit glitt, immer schneller. Er raste bald durch die Finsternis, ohne etwas zu spüren, und das Ende des Universums war sein Ziel.
    Schon befand er sich weit im Raum, jenseits aller Galaxien. Ein gewaltiger Strom des Nichts trug ihn mit einer Geschwindigkeit, größer als die des Lichts, durch die Ewigkeit. Er war allein, nein, nicht ganz allein. Zwei helle Punkte näherten sich ihm, wurden größer und schlossen sich ihm links und rechts des Stroms an. Sie waren ihm keine Unbekannten. Links befand sich eine der Riesenschnecken aus seinem Traum. Rechts starrte ihn dieselbe Gottesanbeterin an, mit der er sich in eben diesem Traum unterhalten hatte.
    »Hilf mir«, bat er die Gottesanbeterin.
    »Bedauere«, erwiderte sie, »aber unsere Ethik verpflichtet uns nicht dazu.«
    Er wandte sich an die Schnecke. »Hilf mir«, bat er auch sie. Doch sie antwortete nicht und zeigte auch sonst keine

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