Das Millionen-Bewußtsein
wirst, wie alle anderen, schnell von selbst dahinterkommen. Richte dich nur nach deinem Gefühl und laß dir Zeit.«
Ihre Scheibe hielt an. Über ihnen endete die transparente Röhre an der Decke. Jai schritt Chaz voran in eine Kammer, wo sie in Raumanzüge schlüpften und danach in einen Aufzug stiegen, der durch die Decke führte und in einem kleinen fensterlosen Gebäude mit einer Luftschleuse anhielt.
»Nun kommt der große Moment«, erklärte Jai durch das Sprechgerät im Helm des Raumanzugs, und öffnete die Luftschleuse nach draußen.
Sie traten auf eine gewaltige metallene Ebene, überdacht von einer Sternenkuppel, die scheinbar durch die schwach leuchtenden Metallmaste getragen wurde. Es war, wie Chaz es abgebildet gesehen hatte. Aber das durchsichtige schattenhafte Gebilde des gigantischen Krans fehlte. Statt dessen sah seine Phantasie die Aufzugskäfige an den Masten und die Seilbahnkabinen als Teil seiner Lieblingsvorstellung von auf Fäden aufgereihten Kristallen in einer Nährlösung. Einen Augenblick war er fast überzeugt, die Masse selbst als einen großen Ferricyankaliumkristall hier wachsen zu sehen.
»Hierher«, vernahm er Jai durch den Helmlautsprecher. Sie betraten gleich am nächsten Mast den Aufzugskäfig, der kaum groß genug für zwei Personen war. Jai drückte auf ein paar Knöpfe auf der Schalttafel, und der Käfig begann schnell und lautlos den Mast hochzuschweben. Während das Deck immer tiefer unter ihnen zurückblieb, wuchs die Aufregung in Chaz, und das Gefühl, eine weitere Dimension wahrzunehmen, überwältigte ihn. Plötzlich schien das Deck verschwunden und sie sich hoch zwischen den Sternen und Masten mit den schwach leuchtenden Silberkabeln dazwischen zu bewegen.
Ohne Vorwarnung stürzte die ganze Masse auf Chaz ein.
Sie floß über und durch ihn wie eine Sturzflut. Schlagartig schien das ganze Universum ihn zu berühren, und er wurde hinweggeschwemmt und ertrank in einer grundlosen Melancholie, eine Melancholie so tief, wie er sie sich nie vorzustellen vermocht hätte. Sie sprudelte um ihn wie die lautlose, aber betäubende Musik eines gewaltigen, unfaßbaren Orchesters, und jede Note brachte eine andere Zelle seines Körpers zum Schwingen.
Das Bewußtsein verließ ihn. Vage spürte er noch, wie er zusammensank und Jai ihn hielt, während er gleichzeitig auf die Armaturen drückte. Der Aufzug sank den Mast hinab, aber das lautlose Orchester verfolgte Chaz.
Die Melancholie wurde zur Trauer um die Erde, die Menschheit, um alles, was er je geliebt hatte.
Eileen – Eileen Mortvain ...
Das gewaltige Orchester nahm den Namen auf und eine vertraute Melodie erschallte, wie er sie zu den Worten des Beschwörungslieds gehört hatte:
Denkst du da auch nur ein einzig' Mal an mich ...
»Eileen«, murmelte er, von Jai gestützt. »Eileen ...«
»Chaz?« Aus dem Orchesterschall, aus der Masse, der unvorstellbaren Dimension des Universums, die er entdeckt hatte, und aus der Not und Tragödie der gemordeten Erde hörte er ihre Stimme rufen.
»Chaz? Bist du da? Kannst du mich hören? Chaz ...?«
8.
Er öffnete die Augen und wunderte sich, wo er war. Dann erkannte er die getäfelte Wand und wußte, daß er sich in seinem geräumigen Zimmer auf der Masse befand. Er drehte sich auf den Rücken – und entdeckte Ethrya, die am Bettrand saß.
»Na, endlich aufgewacht?« Sie lächelte. »Ich fahre jetzt hinauf zur Masse. Leb meinte, es wäre vielleicht gut, wenn du dich mir anschließt. Manchmal hilft es einem Neuen, eine Schicht mit einem anderen zu verbringen, der bereits ein bißchen Erfahrung mit der Masse hat.«
Sie war auch ganz aus der Nähe eine ungewöhnlich schöne Frau. Ihre Nähe verwirrte ihn ein wenig, und darauf schien sie es auch offenbar anzulegen. Doch der Gedanke an Eileen half ihm. Eileen! Er war nun schon fünf Tage hier, aber es war ihm nicht mehr gelungen, Verbindung mit ihr aufzunehmen wie an jenem ersten Tag.
»Warst du verheiratet?« erkundigte sich Ethrya interessiert.
Er schüttelte den Kopf und beobachtete sie.
»Oh? Jai erwähnte, du hättest den Namen einer Frau gerufen, als du am ersten Tag auf der Masse zusammenbrachst.«
Irgend etwas zwang ihn zu lügen. »Wahrscheinlich den meiner Tante«, erwiderte er. »Sie zog mich auf, als mein Vater starb.«
Ethrya ging nicht darauf ein. »Komm zur Masse, wenn du angezogen bist, ich warte dort auf dich. Du mußt eine Kleinigkeit essen, ehe wir aufbrechen.«
Chaz nahm sich Frühstück und setzte
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