Das Millionen-Bewußtsein
Masse gehen. Kein anderer Weg. Jetzt gehen. Sonst alle sterben – Eileen, Chaz, Tillicum, alle!«
»Nein«, erwiderte Chaz leise, aber fest. »Nein, ich glaube nicht, daß ich das tun werde. Zeig mir, wo sie ist, dann erst gehe ich.«
»Kann nicht zeigen.« Tillicum wurde immer noch schwieriger zu sehen. »Kann nicht mehr sprechen. Letzte Botschaft: an Beschwörungslied erinnern – an Eileen denken, wenn dort. Auf Masse Eileens Namen denken. Jetzt – fort ...«
Unglaublicherweise war Tillicum jetzt wirklich weg. Er war vor seinen Augen verschwommen und dann verschwunden gewesen.
Im Erinnerungsgewirr seines Gehirns hörte Chaz noch einmal Eileen das Beschwörungslied in seinem Apartment singen:
Ziehst nach Chicago du,
trinkst dort Wasser und Wein.
Denkst du da auch nur ein einzig Mal an mich,
wirst meine wahre Liebe du sein ...
Er hatte in Chicago wirklich an sie gedacht, nachdem er aus dem Krankenhaus geflohen war. Und jetzt – nun gab er es endlich auch sich selbst gegenüber zu – war er ihre wahre Liebe, oder vielmehr sie seine. Vielleicht war sie es auch schon vorher, seit jenem Abend, ohne daß es ihm bewußt gewesen war. Auf jeden Fall aber bedeutete sie ihm mehr als je ein Mensch zuvor. Und wenn er überhaupt jemandem Glauben schenken mußte, dann zog er es vor, ihrem Wolferin und seiner Botschaft zu vertrauen.
Er verließ das Kondominium und begab sich geradewegs zum Büro der Pritchermasse. Zehn Stunden später beförderte ihn eine Zubringerrakete zum interplanetaren Schiff, das mit Nachschub für die Masse geladen war. Nach zwanzig Tagen, sechseinhalb Milliarden Kilometer von der Erde entfernt, wurde er nackt und noch feucht von der Sterildusche auf der Station jenseits Plutos abgesetzt, wo die Pritchermasse erschaffen wurde. Ein schlanker, dunkelhaariger Mann in blauem Coverall empfing ihn im Schleusentunnel, der vom Schiff zur Station führte.
»Ihre letzte Chance«, murmelte er statt einer Begrüßung. »Überlegen Sie es sich gut. Noch können Sie mit dem Schiff zurück und heim zur Erde.«
Chaz blickte ihn fest an. »Ich würde nicht umkehren, selbst wenn ich es jetzt wollte«, erwiderte er.
Der Schlanke lächelte. »Etwas Ähnliches sagen sie alle. Trotzdem, sehen Sie das Schild?« Er deutete auf die äußere Luftschleusentür, die in die Station führte. »Es ist die allerletzte Mahnung!«
GIB DIE ERDE AUF, DER DU HIER EINTRITTST!
7.
Chaz starrte die Worte an. »Was bedeutet das?« fragte er.
»Oh, Sie werden ein paar Monate hier brauchen, ehe Sie es ganz verstehen«, erwiderte der Dunkelhaarige. »Eine kurze Erklärung erhalten Sie in ein paar Minuten. Aber kommen Sie jetzt.«
Er schritt Chaz voran durch die Tür in die eigentliche Luftschleuse, die fast so groß wie Wakas ganzes Apartment war. Raumanzüge hingen an der Wand zu Chaz' Rechten und blaue Coveralls an jener zu seiner Linken. Zwischen beiden Wänden, am entgegengesetzten Ende, befand sich die innere Schleusentür, die sich nun, da die andere verschlossen war, zu öffnen begann.
»Ziehen Sie sich an.« Der schlanke Mann deutete auf die Reihe von Coveralls. Chaz gehorchte. Als er fertig war, streckte ihm der andere die Rechte entgegen. »Ich bin Jai Losser, der stellvertretende Direktor hier auf der Masse. Vielleicht haben Sie sich gewundert, daß ich Ihnen meinen Namen nicht eher nannte, aber es ist hier üblich zu warten, bis wir sicher sind, daß der Kandidat sich zum Bleiben entschlossen hat.«
Chaz schüttelte seine Hand. »Ich bin Charles Roumi Sant.«
»Oh, ich kenne Ihren Namen.« Jai lachte. Chaz fand sein schmales Gesicht sehr anziehend. »Ich bringe Sie jetzt zu Direktor Lebdell Marti. Er hat Ihnen ein paar einführende Worte zu sagen. Wissen Sie, auf welchem Teil der Masse wir uns jetzt befinden?«
»Ich habe Bilder und Diagramme davon gesehen«, erwiderte Chaz. Er konnte sich sogar noch genau an sie erinnern und hatte sie sich während des Fluges auch oft genug vorgestellt. Sie hatten die Pritchermasse als eine aus drei Teilen bestehende Einheit gezeigt. Ein Teil war ein asteroidenartiger Granitfels von ungefähr neunzehn mal dreizehn Kilometer, annähernd eiförmig. Etwa eine Hälfte seiner Oberfläche war mit einem gewaltigen Stahldeck überbaut, das ungefähr vierzehn Stockwerke hoch war. Von der Oberfläche dieses Decks wiederum erhob sich etwas, das wie ein wirrer Antennenwald aussah. Es handelte sich um Stahlmasten, deren Höhe von hundert Meter bis mehr als einen Kilometer
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