Das Millionen-Bewußtsein
dafür erkenntlich zeigtest. Siehst du denn nicht ein, daß wir zusammenhalten müssen, wir Immunen?«
12.
Chaz holte tief Luft.
»Das ist es also! Du bist immun gegen die Seuche!«
»Hab' ich das vielleicht nicht gesagt? Genau wie du ...« Der rote Stromer starrte Chaz an. »Einen Augenblick, mein Freund. Du wohnst doch schon seit zwei Jahren hier, oder vielleicht nicht?«
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Chaz hob den Gewehrlauf wieder, der sich im Laufe des Gesprächs gesenkt hatte. »Ruhig Blut. Ich bin immun«, versicherte ihm Chaz. »Und sie ist es ebenfalls. Aber ich wohne nicht hier und tat es auch in den vergangenen zwei Jahren nicht. Du mußt eine Menge lernen, roter Stromer. Aber ich ebenfalls. Unterhalten wir uns wie vernünftige Menschen darüber. Du hast mein Wort, daß wir auf der gleichen Seite sind.«
»Sind wir das?« Der rote Stromer musterte Eileen. »Wieso ist sie dann krank, hm? Ich war es nie.« Seine Hand fuhr zu den roten Flecken an seinem Hals, die wie Geschwüre aussahen. »Ich mal' mir diese Dinger nur als Tarnung auf.« Er blickte Chaz mißtrauisch an.
»Sie ist krank, weil sie glaubt, sie sollte es sein«, erwiderte Chaz.
»Sollte es sein?« Der rote Stromer schüttelte den Kopf. »Woher willst du denn das wissen?«
»Weil die Logigkette so verläuft.«
Der andere zuckte nicht mit der Wimper.
»Weißt du denn nichts von der Heisenbergschen Kettenwahrnehmung – von der Pritchermasse?«
»Natürlich hab' ich davon gehört.« Die Züge des Roten entspannten sich. »Das ist doch der parapsychologische Blödsinn, den sie sich als Neuestes ausgedacht haben. Du willst doch nicht gar behaupten, daß da wirklich was dran ist?«
»Selbstverständlich. Wieso denn nicht?«
»Weil es eine von den Regierungsparolen ist. Und die sind doch alle gleich. Ein paar Politiker denken sich was aus, weil sie eine Existenzberechtigung brauchen. Natürlich funktioniert es nie, aber es beschäftigt die breite Masse wenigstens ein paar Jahre. Und dann lassen sie sich eben wieder was anderes einfallen.«
Chaz starrte den roten Stromer an. Es war schwer zu glauben, daß die Unwissenheit des anderen tatsächlich echt war. Andererseits, wenn sie es wirklich war ... Chaz spürte eine lautlose Explosion des Verstehens in seinem Schädel. Wenn sie echt war, konnte sie zu einer Erklärung führen, weshalb dieser Mann überlebt hatte, während die vier, die in diesem Haus gewohnt hatten, an der Seuche zugrunde gegangen waren.
»Es ist wirklich was dran?« erkundigte sich der rote Stromer.
»Paß auf«, sagte Chaz. »Setz dich in den Sessel da, ich setz mich aufs Bett, dann erklär ich dir alles.«
Sie machten es sich bequem.
»Werner Heisenberg war Physiker«, begann Chaz. »Er behauptete, daß man entweder den Ort oder die Geschwindigkeit eines Teilchens genau bestimmen kann, nicht aber beides gleichzeitig.«
»Warum nicht?«
»Nicht so hastig. Ich bin ja kein Physiker. Heisenberg hat jedenfalls die Unschärferelationen aufgestellt. Davon ausgehend, ergaben sich später Spekulationen, daß es tatsächlich alternative Universen geben konnte.«
»Alternative – was?«
»Hör zu. Gesetzt den Fall, wir wollen irgend etwas durch eine Münze entscheiden lassen. Du wirfst sie. Sie landet mit der Zahl nach oben, und du gewinnst. Irgend etwas geschieht aufgrund der Entscheidung, die wir die Münze treffen ließen. Das ist ein Universum möglicher Folgen. Aber was ist, wenn sie mit dem Kopf nach oben landet? Dann gewinne ich, und die Entscheidung ist anders, und etwas ganz anderes geschieht daraufhin. Das wäre dann wieder ein anderes Möglichkeitsuniversum.«
»Kapier ich nicht.«
»Das kommt schon noch, spitz nur die Ohren. Jedesmal, wenn es ein Entweder-Oder, also eine Alternative gibt, teilt sich das Universum in zwei Universen, wo sich jeweils eine Kette von Geschehnissen ergibt, die sich aus der getroffenen Entscheidung ableitet. Fällt die Münze mit der Zahl nach oben, so sieht diese Kette anders aus, als wenn der Kopf oben gewesen wäre. Jede wäre jedoch eine Kette logischer Resultate – das, was wir eine Logikkette nennen. Kommst du mit?«
»Nein«, murrte der rote Stromer.
»Vielleicht kennst du den Kinderreim: Weil ein Nagel fehlte, ging ein Huf verloren – Weil ein Huf fehlte, ging ein Pferd verloren.«
»Natürlich. Weil ein Pferd fehlte, ging ein Reiter verloren – Weil ein Reiter fehlte, ging die Botschaft verloren – Weil die Botschaft fehlte, ging die Schlacht
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