Das mittlere Zimmer
wieder mehr um dich kümmern.“ Sprach´s und fing an zu essen. Als er fertig war, erklärte er beinah sanftmütig, er habe noch ein paar Dinge zu erledigen, und stieg zum Dachboden hinauf.
Rike zeigte vollstes Verständnis und hatte, kaum dass er außer Hörweite war, nichts Eiligeres zu tun, als das Telefon mit in die Küche zu nehmen, die Tür fest zu schließen und Johann a nzurufen. Sie erzählte ihm haarklein, wie Achim sich verhalten und was er gesagt hatte.
Johann äußerte sich besorgt über Achims psychischen Zustand und riet ihr dringend, gut auf sich aufzupassen und ihn sofort anzurufen, wenn sich die Lage (wie auch immer) zuspitzte. Sie tauschten ihre Handynummern aus und Johann bestand darauf, dass sie sich spätestens morgen früh bei ihm melden solle. Andernfalls würde er sich auf den Weg machen und nach dem Rechten sehen.
Rike versprach es und hauchte in einer Aufwallung all ihrer sehnsüchtigen Gefühle in den Hörer: „Ich kann es kaum erwarten, wieder mit dir zusammen zu sein.“
„Geht mir genauso.“ Seine Stimme klang warm und liebevoll.
Wie sollte sie nur das Wochenende ohne ihn überstehen?! „Dann also bis morgen früh“ , verabschiedete sie sich leise. „Ich rufe dich an.“
Fünf Minuten später saß Rike mit einer Flasche Schlehenlikör und einer Decke über den Kn ien vor dem Fernseher und versuchte, weder an Johann noch an Achim noch an das Zeitloch zu denken. Was ihr erst gelang, als sie sich der Volltrunkenheit nahe fühlte. Irgendwann schlief sie auf dem Sofa im Wohnzimmer ein.
Am Samstagmorgen wachte sie mit weniger Kopfschmerzen auf, als sie befürchtet hatte. Fr ischer Kaffeeduft wehte durchs Zimmer. Rike stand auf und ging in die Küche. Achim und Hannah bereiteten das Frühstück vor. Achim wirkte aufgeräumt wie lange nicht mehr.
„Na Prinzesschen, fahren wir morgen in den Märchenpark?“ , fragte er und setzte seine Tochter in den Hochstuhl.
„Au ja!“ Hannah strahlte ihn an.
Rike war nicht begeistert. „Muss das unbedingt sein? Der Eintritt ist viel zu hoch, mit dem Geld könnten wir was Sinnvolleres machen!“ Und außerdem hatte sie nicht die geringste Lust, sich sonntags durch ein Gewimmel aus genervten Eltern und quengelnden Kindern zu schieben! Und außerdem wollte sie -
„So, sinnvoller. Du möchtest das Geld lieber spenden?“ Achim lächelte sie überfreundlich an. „Für alternde, Not leidende Tierärzte?“
Darauf fiel Rike keine Antwort ein. Achim bohrte nicht nach, sondern bestrich seinen Toast mit Butter, trank einen Schluck Kaffee und wandte sich wieder an Hannah. „Nach dem, was wir in letzter Zeit durchgemacht haben, können wir uns ruhig mal was gönnen. Hilfst du mir gleich ein bisschen, die Garage aufzuräumen, Prinzesschen?“
Hannah nickte so begeistert, dass die beiden Zöpfchen, die Achim ihr vorhin gefloc hten haben musste, auf und ab wippten. Rike suchte unterdessen händeringend nach einem neutralen Thema, über das sie reden konnte, und meinte unvermittelt: „Und ich wollte Rosen in den Vorgarten pflanzen. Ich fahre gleich mal eben ins Gartencenter und kaufe welche.“
„Ja, gute Idee“ , behauptete Achim und plauderte über die Terrasse, die demnächst gepflastert werden sollte.
Nach dem Frühstück zogen die beiden ab in die Garage, Achim in seiner alten, farbve rschmierten Jeans und Hannah in der ebenso alten, schon ein wenig zu kurzen, grünen Latzhose. Rike überlegte, ob sie Johann sofort anrufen oder vielleicht doch lieber ein paar Minuten warten sollte.
Vorsichtshalber räumte sie erst das herumstehende Geschirr in die Spülmaschine und wollte sie eben einschalten, als von links, aus Richtung der Garage, ein krachendes Poltern laut wu rde, das Rike sofort in Alarmbereitschaft versetzte. Was war da passiert?!
Keine fünf Sekunden später hörte sie Achim brüllen: „Um Himmelswillen! Rike, komm s ofort her!“
Rikes Herz stolperte und begann zu rasen. Alle Gedanken waren wie ausgelöscht, bis auf e inen: Hoffentlich ist ihr nichts passiert! Hoffentlich ist ihr nichts passiert! Aber in ihrer Vorstellung lag Hannah verblutend auf dem Betonboden, erschlagen vom falsch montierten Garagentor.
Rike rannte durch den Hauswirtschaftsraum neben der Küche ins Freie und von dort durch die hintere, offenstehende Tür in die Garage. Ihr Kopf war leer, ihr Herz hämmerte. In der Gar age, in der eine nackte Glühbirne kein sehr helles Licht verbreitete, war Hannah nirgendwo zu sehen, aber Achim stand neben seinem
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