Das mittlere Zimmer
vielleicht im Winter in die Berge und laufen ein bisschen Ski.“
Ja, da sprach der verantwortungsbewusste, fürsorgliche Tierarzt. Eigentlich mochte Rike g erade diese Eigenschaften an ihm. Aber wie er sie jetzt so anlächelte ... blitzte dahinter nicht eine gewisse Strenge auf, wenn nicht sogar Härte?
Rike schaute auf den Tisch mit den brennenden Kerzen und den Weingläsern. „Ich bin aber nicht so für die Berge. Ich würde im Winter lieber irgendwohin fahren, wo es warm ist, und wo man noch im Meer baden kann.“
„Darüber werden wir uns sicher einigen können. Ich habe mich schließlich auch mit den 47 Ehefrauen geeinigt, die ich vor dir hatte“, flüsterte ihr Johann scherzend ins Ohr, küsste sie auf den Hals und tat dann noch so einige Dinge, die ihre Stimmung sehr schnell wieder verbesserten.
Als sie schließlich spät am Abend allein in ihrem Bett lag, malte sie sich in allen Ei nzelheiten aus, wie sie die kirchliche Trauung nachholen würde, sobald die Verschwundenen wieder aufgetaucht waren. Hannah würde im bodenlangen, rosa Kleid mit einem Blumenkörbchen durch den Kirchengang schreiten und duftende Blütenblätter auf dem Boden verstreuen. Ihre Eltern, ihre Freundinnen, ihre Tanten und Onkel und auch Cousine Alexandra mit Familie würden in der ersten Reihe sitzen und das sensationelle Brautkleid bestaunen, das Rike gekauft hatte, oder, noch besser, nach eigenen Ideen hatte anfertigen lassen. Nachdem sie sich dann noch vorgestellt hatte, wie sie vor dem Altar ihrem Johann zum Kuss in die Arme gesunken war, schlief sie zufrieden ein.
Am nächsten Tag fuhren sie nachmittags gemeinsam in die Stadt und sahen sich in den G eschäften um. Nach einer halben Stunde schon verliebte sich Rike in ein Kleid aus meerblauem Chiffon, das furchtbar teuer war. Johann kaufte es ihr, und die passenden Schuhe, einen Hut und eine Handtasche gleich dazu.
Manchmal fragte sie sich schon, woher er das Geld hatte, aber wahrscheinlich b efanden sich nicht unerhebliche Ersparnisse auf seinem Konto. Wo er doch von früh morgens bis spät abends und manchmal auch nachts und am Wochenende arbeitete, und somit gar keine Zeit hatte, viel Geld auszugeben.
Am Sonntag traf man sich zum Squash, und Jörg Spitz wusste natürlich schon über die Feier am nächsten Tag Bescheid.
Johann hatte tatsächlich einen Termin am Montagmorgen um 11.30 Uhr ergattern können. Kurz vorher überprüfte der Standesbeamte in einem Nebenzimmer zusammen mit Rike und Johann noch einmal alle nötigen Papiere. Bei der Gelegenheit erfuhr Rike auch endlich, dass Johann am 13. April 46 Jahre alt geworden war. Sie wusste nicht recht, ob sie deswegen überrascht sein sollte oder nicht.
Um 11.35 Uhr jedenfalls saßen Johann und Friederike, Gerd-Uwe und Mare ike vor dem Tisch des Standesbeamten, während im Hintergrund Jörg Spitz, Dr. Trösser und Lioba Platz genommen hatten.
Rikes Freundinnen waren in dezentfarbenen Kostümen, die Herren in eher hellen Anzügen erschienen. Rike trug natürlich ihr meerblaues, enggeschnittenes Kleid, Johann einen anthr azitschimmernden Anzug mit schwarzem Hemd dazu. Er sah gut aus, auch ohne Krawatte, die anzuziehen er sich strikt geweigert hatte.
Der Standesbeamte hielt eine nicht zu lange Rede, las ein zu Herzen gehendes Gedicht vor, und dann wurden Papiere unterschrieben. Schließlich steckten sich Rike und Johann gegense itig die Ringe an die Finger, gaben sich einen langen Kuss und baten Dr. Trösser, ein paar Fotos zu schießen.
Gegen 12.00 Uhr brach man schließlich mit mehreren Wagen zum besten Resta urant der Stadt auf, in dem Johann einen Tisch hatte reservieren lassen.
Kurz nach 15 Uhr trieb es ihn allerdings zurück in seine Praxis: er hatte noch Patienten b estellt. Es schien ihn nicht zu stören, dass die Gäste ein wenig irritiert wirkten. Rike, die seinen Arbeitseifer mittlerweile kannte, verzieh ihm an diesem Tag alles und putzte, als sie wieder zu Hause waren und sie sich umgezogen hatte, ein paar Fenster.
Als sie damit fertig war, machte sie ein paar belegte Brote fürs Abendessen zurecht. Nach dem Abendessen kam Johann auf die Idee, einen Ausflug mit dem Auto zu u nternehmen. Er fuhr mit Rike direkt in den tiefsten Wald, wo sie einen unvergesslichen Abend miteinander erlebten.
Als Rike schließlich in ihrem Bett lag und den Tag an sich vorüberziehen ließ, wünschte sie sich, dass all die Tage ihres restlichen Lebens genauso harmonisch, vergnüglich, lustvoll und sorglos verlaufen würden wie
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