Das mittlere Zimmer
mal! Die Art der Frauen sagt auch viel über den Mann aus, der sie sich ausgesucht hat.“ Rike küsste Johann zärtlich auf die Nase.
„Wenn du was über mich wissen willst, frag mich direkt. Ich bin hier.“ Klang er nicht ein klein wenig gereizt? Warum?
„Also ich würde dir alles über die Männer, mit denen ich -“
„Danke “, fiel er ihr ins Wort. „Das interessiert mich nicht, und darüber will ich nichts hören!“ Jetzt schien er ernsthaft ungehalten. Das war Rike nicht von ihm gewöhnt. Sie schwieg eine Weile, bis Johann zaghaft und möglichst sachlich über ein neues Ultraschallgerät für seine Praxis zu reden begann. Rike hielt es für besser, das Thema Ex-Frauen vorerst nicht mehr anzuschneiden.
Am nächsten Abend verspürte Johann das Bedürfnis, Rike etwas auf dem Klavier vorzuspi elen. Er dekorierte den Couchtisch mit Kerzen, schenkte ihr ein Glas Wein ein, setzte sich auf die Bank und spielte das ,Adagio Sostenuto‘ aus Beethovens Mondscheinsonate. Er musste fleißig geübt haben, denn er spielte mit viel Gefühl und wenig Fehlern.
Als der letzte Ton verklungen war, ließ er sich neben Rike auf dem Sofa nieder, nahm sie in den Arm, gab ihr einen langen, zärtlichen Kuss und sah sie dann mit e inem beinah strengen Gesichtsausdruck an, der Rike zuerst einmal in Alarmbereitschaft versetzte. Hatte Johann etwas über ihr hinterhältiges Treiben herausgefunden?
„Liebe Rike, du ahnst gar nicht“ , begann er mit sanfter Stimme, und seine Pupillen waren groß und schwarz, „du ahnst nicht, wie lange ich nach einer Frau wie dir gesucht habe. Ich fühle mich wieder jung und glücklich. Ich liebe deine mitfühlende Seele und deinen ungewöhnlichen Verstand. Ich liebe diese schwarzen Augen, die so viel Kraft und Leidenschaft widerspiegeln - und deinen üppigen Körper liebe ich sowieso. Ich möchte dir nicht nur über die schwere Zeit, die du gerade durchmachst, hinweghelfen, sondern dir für immer beistehen und mit dir zusammen sein und ...“ Er geriet ins Stocken, starrte kurz auf die Kerzen, seufzte einmal, blickte ihr wieder tief in die Augen und fragte: „Friederike, willst du mich heiraten? Ich hab alles vorbereitet. Wenn du ja sagst, können wir morgen zum Standesamt gehen.“
Als sie begriff, was er da gerade gesagt hatte, kamen ihr die Tränen, so fassungslos und g erührt war sie. Mit einem Heiratsantrag hatte sie wahrlich nicht gerechnet.
„Ach Rike, jetzt wein doch nicht!“ , bat er sie und wischte mit den Fingern ihre Tränen ab. „Sag mir wenigstens, ob du vor Freude oder vor Entsetzen weinst.“
Jetzt musste sie lachen, dann fiel sie ihm um den Hals und küsste ihn und drückte ihn und versicherte: „Ja, natürlich will ich dich heiraten!“, als ihr plötzlich einfiel, dass sie ja eigen tlich noch verheiratet war. Ach was, offiziell war Achim tot, offiziell wusste auch sie nichts anderes, als dass sie Witwe war, also was scherte sie die Zukunft, sollten die Behörden sehen, wie sie damit klarkamen! Sie würde Johann heiraten! Sie drückte ihn fest an sich, küsste ihn ungestüm und fragte: „Was meinst du damit, du hast alles vorbereitet?“
Johann lächelte. „Ich hab alle Papiere besorgt und zwei Trauzeugen, die auf Abruf bereit st ehen: deine Freundin Mareike und mein Freund Gerd-Uwe. Ich kenne den Standesbeamten, und der würde uns morgen schon irgendwo zwischen zwei Termine schieben.“
„So, so, alle wussten also früher als ich, was du vorhattest.“ Rike runzelte die Stirn. Ein w enig überrumpelt fühlte sie sich schon. „Nein, nicht morgen, das kommt mir zu plötzlich. Wie wäre es mit Montag? Ich muss mir für die Hochzeit schließlich noch was Anständiges zum Anziehen kaufen.“
„Ja, sicher “, lachte Johann. „Und weißt du was? Als Entschuldigung für meine Geheimniskrämerei kannst du dir morgen das schönste Kleid aussuchen, das in der Stadt zu haben ist.“
Beinah (es fehlte wirklich nicht viel), beinah hätte Rike ihn auf die andere Geheimniskräm erei angesprochen, die er betrieb: beinah hätte sie ihn gefragt, warum fünf Zimmer in seinem Haus verschlossen waren, aber eine innere Stimme riet ihr dringend ab. Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt , sagte die Stimme, und so fragte Rike: „Und nach der Hochzeit fahren wir in die Flitterwochen, wie es sich gehört?“
Johann machte ein erstauntes Gesicht. „Aber Rike, wir waren doch gerade weg! Ich kann die Tiere nicht schon wieder allein lassen! Nein, ich dachte mir, wir fa hren
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