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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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den Farn am Fenster damit gegossen? Wenn er sich in einer Stunde nicht vor Schmerzen wand, wusste sie Bescheid!
    Rike ließ sich auf das Sofa fallen und fühlte sich auf einmal sehr müde. Das hatte doch alles keinen Sinn. Er hatte einfach mehr Erfahrung in allem, was er tat. Besonders im Ermorden von Menschen. Wenn sie nicht aufpasste, würde er sie vergiften. Sie sollte sich eine Waffe besorgen und ihn kurz und schmerzlos erschießen.
    „Rike, du machst mir aber keinen guten Eindruck, hast du dich bei mir angesteckt?“ Johann hatte sich wieder aufgesetzt, die Fernbedienung an sich genommen und schaute Rike ins G esicht. Kam es ihr nur so vor, oder blitzte da für eine Sekunde ein spöttisches Lächeln in seinen Augen auf?
    „Nein, ich bin müde. Möchtest du noch ein Eis?“
    Ja, Johann wollte noch ein Eis. Rike selbst aß nur eine Scheibe Brot mit Käse und verbrachte den Abend mit Johann vor dem Fernseher. Ab und zu fielen ihr die Augen zu, während Johann ab und zu über Magenschmerzen klagte, die sich aber in überschaubaren Grenzen zu halten schienen, denn sie führten weder zu Durchfall noch zu Erbrechen.
    Gegen zehn Uhr verkündete Johann, er werde nun schlafen gehen. Und tatsächlich, er ging allein und ohne Hilfe ins Bad und in sein Schlafzimmer. Vorher gab er ihr einen Gute-Nacht-Kuss, aber nur auf die Wange. Damit er sie nicht ansteckte . Wieder ein schnelles, kaum wahrnehmbares, wissendes Lächeln.
    Rike blieb im Wohnzimmer sitzen, ließ den Fernseher laufen und grübelte zwei Stu nden lang darüber nach, was zu tun war. Irgendwann holte sie sich eine Flasche Rotwein, trank drei Gläser davon und kam zu dem Schluss, dass es am besten sei, ebenfalls schlafen zu gehen. Gegen Viertel nach zwölf lag sie in ihrem Bett im ,Gästezimmer‘.
    Mitten in der Nacht wurde sie von einem furchtbaren Alptraum wach. Sie schwitzte, ihr Herz raste, und die Todesangst, die sie eben noch verspürt hatte, wich nur langsam dem Bewuss tsein, dass sie erst einmal in Sicherheit war. Sie hatte geträumt, dass sie, wo sie ging und stand, dicken blauen Schleim in unglaublichen Mengen erbrach, und dass es bald mit ihr zu Ende sein würde.
    Rike sah auf den Wecker: 4.17 Uhr. Sie schaltete ihre Nachttischlampe nicht ein, drehte sich auf den Rücken, schlug die Decke ein wenig zurück, schloss die Augen und wollte weite rschlafen ... als sie ein sehr leises, metallisches Klicken über sich vernahm. Sofort war sie hellwach. Und als sie die Schritte hörte, wusste sie, was das Geräusch gewesen war: Johann hatte sein geheimes Arbeitszimmer aufgeschlossen.
    Warum zum Teufel schlich er dort mitten in der Nacht herum?! Suchte er wieder nach Bewe isen für ihre Neugier?! Allzu krank konnte er jedenfalls nicht mehr sein!
    Die Schritte entfernten sich nach rechts, bis sie kaum noch zu hören waren. Die eine Zi mmerwand, an der ihr Bett stand, musste ziemlich genau unter dem kleinen Flur zwischen den beiden Dachbodenzimmern liegen, dort, wo die Tür war und dort, wo sich die aus der Holzwand gesägte Öffnung befand.
    Eine Zeitlang schien sich oben im Zimmer nichts zu tun, dann kamen die Schritte wieder n äher. Leise, schleichende Schritte, dann ein paar schabende, schleifende Geräusche, fast direkt über ihrem Kopf. Und dann fiel etwas klappernd zu Boden. Es klang wie ein dünnes Holzbrett. Alle Muskeln in ihrem Körper spannten sich, sie riss die Augen auf und hielt den Atem an. Ihr Herz hämmerte.
    Johann hatte die Öffnung gefunden! Er hatte seinen Beweis! Ihm musste nun klar sein, dass sie alles über ihn wusste! Was würde er tun?!
    Rike lauschte angestrengt. Eine Weile blieb es still. Vielleicht musste auch Johann erst einmal seinen Schock verdauen. Und dann? Rike spürte plötzlich einen drängenden Impuls, aufzustehen und ihre Zimmertür abzuschließen.
    Hastig, ohne die Lampe anzumachen, und voller Panik, als sei sie in Lebensgefahr (war sie das etwa nicht?!), schwang sie die Beine aus dem Bett, rannte zur Tür und drehte den Schlü ssel. Und blieb dort stehen, die nackten Füße auf dem zimtfarbenen Teppich, der die Holzdielen bedeckte, hielt immer wieder den Atem an, lauschte, im Magen ein Schmerzen und Bohren, dass es kaum zu ertragen war, im Kopf keinen einzigen, vernünftigen Gedanken.
    Plötzlich bewegte sich ganz langsam die Türklinke nach unten. Rike, deren Augen sich an das schwache Licht im Raum gewöhnt hatten, starrte sie an, als sei sie eine Giftschlange, die in der nächsten Sekunde zustoßen würde. Dass das

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