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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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neuen Plan überlegen. Aber das ging nicht, solange Johann neben ihr saß, denn seine Anwesenheit brachte ihre Gedanken durcheinander. Wenn sie zu Hause war, würde sie ein Bad nehmen und in Ruhe Pläne schmieden.
    Johann machte keine verdächtigen Umwege, sonder fuhr geradewegs zu seinem Haus. Oben im Flur hängte Rike ihre Tasche an die Garderobe und erklärte: „Ich bin heute morgen nicht dazu gekommen, deswegen steige ich jetzt schnell in die Badewanne.“
    „Okay“, murmelte Johann und verschwand in der Küche.
    Rike verschloss die Badezimmertür hinter sich und ließ Wasser in die Wanne laufen. Das Bad, wie alle Zimmer des Hauses von eher überdurchschnittlicher Größe, war augenschei nlich vor ein paar Jahren renoviert worden: deckenhoch weiße Kacheln mit farbigen Bordüren, gemütliche Korbmöbel, Blumen am Fenster. Rike mochte das Zimmer. Hier konnte sie sich entspannen.
    Sie steckte sich die dicken Haare hoch, und betrachtete in dem großen Spiegel, der neben der Tür angebracht war, einen Moment lang ihren wohlgerundeten Körper, den Johann geradezu angebetet hatte. Und dieser Anblick machte sie traurig, es hätte alles so schön werden können! Sie wandte sich ab und beobachtete gedankenverloren das Wasser beim Einlaufen in die Wanne. Als sie voll genug war, ließ sich Rike ins heiße Wasser gleiten und schloss die Augen. Ein paar Minuten lang dachte sie an nichts, und als sie sich gerade eine neue Strategie für die Ermordung Johanns ausdenken wollte, hörte sie, wie etwas Kleines klickend zu Boden fiel.
    Sie riss die Augen auf, packte mit beiden Händen den Wannenrand, zog sich ein Stück hoch und sah aus der Wanne. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie den Schlüssel auf den Fliesen entdeckte. Und schon schloss jemand die Tür auf und trat ins Bad. Johann. Hatte dieser Mensch etwa von allen Zimmern Zwei tschlüssel?!
    Sein Gesichtsausdruck war so leicht zu lesen wie die Schlagzeilen einer Zeitung. Kein L ächeln, die Lippen zusammengepresst, in den bernsteinbraunen Augen Wut und Enttäuschung. Er würde sie umbringen. Jetzt.
    Rike setzte sich ganz auf. Gott, wie verletzbar und hilflos sie war. Nackt in der B adewanne! Das war entwürdigend! Ihr Herz hämmerte vor Angst und vor Ärger. Johann sagte nichts, sondern holte rechts aus einem Schrank den Fön, steckte den Stecker in die Dose neben dem Spiegel und stellte sich mit dem Fön in der Hand vor die Wanne.
    Rikes Herz raste noch ein bisschen schneller. Er würde es wie Selbstmord aussehen lassen. Hatte sie ihm nicht eigenhändig vor drei Tagen mit ihrem Besuch im Krankenhaus eine Vo rlage geliefert? Konnte sie noch mit ihm reden?
    „Johann, warum tust du das?“ Ihre Stimme klang ein wenig weinerlich und mitleidhe ischend. Das ärgerte sie. Sie verschränkte die Arme über ihrem Busen.
    Johann antwortete mit einer Gegenfrage: „Warum seid ihr Weiber so verdammt ne ugierig?“ Er sprach ruhig, aber unterschwellig schwang eine schreckliche Wut mit. „Ich habe dich auf Händen getragen, ich habe dir jeden Wunsch von den Augen abgelesen, ich habe dich so sehr geliebt. Warum konntest du meine kleinen Geheimnisse nicht einfach respektieren?!“
    „Kleine Geheimnisse nennst du das - ein Dutzend Frauen umzubringen?! Und wann wäre ich an der Reihe gewesen?!“
    „Rike, dich hätte ich niemals umgebracht. Wir hätten viele Jahre sehr glücklich miteinander sein können.“
    Beinah wollte sie ihm glauben, beinah, aber plötzlich sah sie das Gesicht ihrer Tochter vor sich, und der Hass fuhr mit der Gewalt eines Tornados durch ihr Gehirn und fegte sogar s ekundenlang die Angst hinweg. „ Bist du geisteskrank, du Schwein?!“, schrie sie ihn an. „Du hast Hannah auf dem Gewissen! Wie hätte ich mit dir glücklich werden sollen?!“
    „Du hättest es nie erfahren, wenn du nicht herumspioniert hättest!“ , stellte Johann klar, während er auf sie herabsah. Seine schönen Hände, die Klavier spielen konnten, umklammerten den Fön. Sein Blick wurde immer kälter. „Hannah war der Preis, den du zahlen musstest, um mich zu bekommen und alles, was ich zu bieten habe.“
    Rikes Blutdruck stieg weiter an. Der Mann war ja größenwahnsinnig! Gerade wollte sie ihm ins Gesicht brüllen, dass sie ihn mit dem Hintern nicht angeguckt hätte, hä tte sie geahnt, was für ein widerlicher Irrer er war, als etwas in ihr sie dringend davor warnte, ihn noch mehr zu provozieren. Ihre Brust hob und senkte sich empört, während sie sich förmlich auf die Zunge biss, um

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