DAS MODEL UND DER MILLIARDÄR
Andererseits, was sollte das Cristiano Andreotti kümmern? Während sie sich darüber noch den Kopf zerbrach, ging er lässig an ihr vorbei hinaus und stieg in die dunkle Limousine ein, die am Straßenrand auf ihn wartete. Das luxuriöse Gefährt fuhr davon und war im nächsten Moment verschwunden, als wäre sein arroganter Besitzer nie da gewesen.
Fünf Minuten später stand schon der Glaser vor Lydias Tür, um die zerbrochene Fensterscheibe auszutauschen. Wie er bereitwillig erzählte, wurde er für diesen Auftrag so gut bezahlt, dass er ihm gern Vorrang eingeräumt hatte.
Als Lydia sich am Nachmittag zur Polizeiwache aufmachte, war sie längst so weit, Cristianos Besuch im Geiste immer wieder durchzuspielen. Kurz gesagt, er hatte ihr vorgeschlagen, „Happy Holidays“ zu entschädigen im Austausch gegen ihre Liebesdienste. Wenn er jedoch geahnt hätte, wie lächerlich wenig Erfahrung sie auf diesem Gebiet besaß, wäre er vielleicht nicht so wild darauf gewesen! Andererseits war sie noch vor achtzehn Monaten so verrückt nach Cristiano gewesen, dass sie kurz davor gestanden hatte, wirklich alles zu tun, was er von ihr verlangte.
Sie war nicht stolz auf diese Schwäche, schob sie jedoch wenigstens zu einem Teil darauf, dass sie ein leicht zu beeindruckender, vierzehnjähriger Teenager gewesen war, als sie Cristiano Andreottis Foto zum ersten Mal in einem Hochglanzmagazin entdeckt hatte. Er war damals zweiundzwanzig gewesen und überzeugt, dass er der hinreißendste Typ sei, den sie je gesehen hatte. Lydia schnitt sich das Foto aus und behielt es. Sie legte es nicht in irgendeine Schublade,sondern bügelte es sorgfältig glatt und steckte es in einen Fotorahmen, um es während ihrer Teenagerzeit so oft wie möglich schwärmerisch und sehnsüchtig zu betrachten. Und diese romantischen Jungmädchenträume waren ihr weitaus lieber als die oftmals grobschlächtigen Annäherungsversuche der jungen Männer, denen sie in der Realität begegnete.
Tatsächlich vergingen mehr als sechs Jahre, bevor sie Cristiano wirklich kennenlernte. Jahre, in denen ihre wachsende Popularität als Model ihr allmählich zumindest gelegentlich eine Eintrittskarte zu seiner privilegierten Welt des Reichtums und Luxus verschaffte. Einmal erhaschte sie aus der Ferne einen Blick auf ihn in einem Nachtklub, als er scheinbar gelangweilt Hof hielt, während eine ganze Schar schöner Frauen um seine Aufmerksamkeit buhlte. Lydia hatte er nicht einmal bemerkt.
Ein abschreckendes Erlebnis mit dreizehn hatte sie Männern gegenüber vorsichtig werden lassen. Seitdem fiel es ihr schwer, zwanglos zu flirten. Die Tatsache, dass sie noch Jungfrau war, behielt sie für sich, denn sie bewegte sich in Kreisen, in denen jeder mit jedem schlief. Regelmäßig wurde sie auch von Männern bedrängt, die einfach nur darauf erpicht waren, sie ihrer Macholiste von Eroberungen hinzuzufügen, und Lydia war tief verletzt und beschämt, als ihr klar wurde, dass die Abgewiesenen sie als frigide abtaten. Da schien es der leichtere Weg, sich überhaupt nicht mehr zu verabreden. Dabei kam ihr nicht in den Sinn, dass gerade ihre Unnahbarkeit sie zu einem besonders verlockenden Ziel für einen Mann machte.
An dem Tag, als sie bei einer Pariser Modenschau durch die Vorhänge spähte und in der ersten Reihe Cristiano Andreotti entdeckte, war sie völlig überwältigt. Sofort war sie wieder der schwärmende Teenager, der sein Foto wie einen Schatz hütete, und als sie auf den Laufsteg hinaustrat, fühlte sie sich nervös wie eine Anfängerin und wagte eskaum, in seine Richtung zu blicken. Auch als er ihr nach der Schau vorgestellt wurde, wich sie seinem Blick aus. Als er sie dann um ihre Telefonnummer bat, erklärte sie ihm rasch, dass ihr Handy kurz zuvor gestohlen worden sei, bevor sie auch schon davoneilen musste, weil irgendein VIP sie zu einer privaten Modenschau gebucht hatte. Cristiano aber ließ ihr ins Hotelzimmer ein nagelneues Handy bringen und war dann der erste Anrufer, der sich mit tiefer, warmer Stimme bei ihr meldete.
Er wollte sie noch am selben Abend treffen, aber sie musste schon am nächsten Tag sehr früh wieder in London sein.
„Ich bin die ganze nächste Woche geschäftlich in Sydney. Melde dich krank, damit du noch in Paris bleiben kannst“, drängte er sie.
„Das kann ich nicht tun.“
„Du kannst es, wenn du mich sehen willst.“
„Und wenn du mich sehen willst, kannst du warten“, erwiderte sie zu ihrer eigenen Überraschung.
„Bist du
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