Das Model und der Scheich
sagte er.
Schlaflos lag Desirée neben Salih und lauschte auf seine regelmäßigen Atemzüge.
Ich liebe ihn immer noch. Ich brauche es ihm nur zu sagen. Der Gedanke ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Dass er sie nicht mehr liebte … machte er sich vielleicht nur vor! Auch sie hatte geglaubt, über alles hinweg zu sein – doch welch ein Trugschluss! Ob es nicht doch noch eine Chance gab, dass er sie heiraten würde?
Sie hatte nie verstanden, warum er ihr diesen Brief geschrieben hatte. Nach dem ersten Schrecken hatte sie vermutet, dass das Trauma der Kopfverletzung der Grund dafür war. Wochenlang hatte sie gehofft, dass ein weiterer Brief käme, mit ganz anderem Inhalt … Doch vergebens.
Aber das war vor zehn Jahren, überlegte sie. Warum denkt er immer noch so schlecht von mir? Hat er sich nie die Mühe gemacht, die Dinge von der anderen Seite zu sehen? Gleich morgen werde ich mit ihm sprechen.
Doch sie musste vorsichtig sein. Ganz ausgeschlossen war es nicht, dass er sie – bewusst oder unbewusst – dafür bestrafen wollte, dass er keine andere Frau lieben konnte. Und sie selbst war durch ihre starke Sehnsucht nach ihm so empfindlich. Bei der leisesten seiner Berührungen schmolz sie dahin. Wie verletzlich wäre sie erst, wenn sie seine Frau wäre!
Aber, sagte sie sich, er ist entschlossen, seine zukünftige Frau wirklich zu lieben, egal, wer sie ist. Vielleicht bin ich es! – Wenn er ins Ausland zieht, wer weiß für wie lange? Vielleicht könnten wir danach in zwei Welten leben. So etwas ist nicht unmöglich!
Während der Mond am Himmel seine Bahn zog, wälzte sie sich unruhig hin und her.
10. KAPITEL
Noch vor Tagesanbruch standen Salih und Desirée auf, und sie badete in dem kleinen See inmitten der Oase.
Doch leider war das Wasser so abgestanden, dass Desirée sich nicht wirklich erfrischt fühlte. Darum ließ sie etwas von dem mitgebrachten Wasser über ihre Arme und den Oberkörper rinnen.
Um sich an diesem Tag besser vor der Hitze zu schützen, zog sie eine weiße Cargohose und ein weites weißes T-Shirt mit langen Armen an. Die Haare stopfte sie unter ihren Sonnenhut.
Ein Königreich für eine Dusche …
Um die Mittagszeit tauchten in der Ferne plötzlich Berge auf – und ein grünes Band! Über allem wachte der Mount Shir.
Ohne dass Desirée es bemerkt hatte, mussten sie nach Norden gefahren sein.
„Was ist das Grüne da vorn?“, fragte sie.
„Das Wadi Daud.“
„Was ist ein Wadi? Eine Oase?“
„Ein Tal oder Flussbett, das nur zur Regenzeit Wasser führt. Aber im Wadi Daud gibt es so viel Grundwasser, dass es für Bewässerungen reicht. Darum ist es hier das ganze Jahr über grün. In einigen Monaten allerdings wird es ganz besonders schön sein.“
Zu Desirées Überraschung erreichten sie eine befestigte Straße, die sie abwärts in das breite Tal führte. Eingefasst von steilen Felswänden, erstreckte sich in beiden Richtungen grüne Vegetation um einen Fluss, der über Steine plätscherte.
„Im Winter ist das ein Wasserfall“, erklärte Salih.
Bald fuhren sie unter Palmen und Ölbäumen. Auf der anderen Flussseite, dort wo das Gelände schon wieder anstieg, war ein kleines Dorf zu erkennen.
„Fahren wir dorthin?“
„Wir essen bei Freunden zu Abend.“
Vom Baustil her entsprach das Haus denen, die Desirée in der Stadt gesehen hatte: Es war weiß, niedrig, mit einer Kuppel versehen und von einer hohen weißen Mauer umgeben. Ein Diener öffnete die Außentür und grüßte höflich: „Marhaban.“
Im Hof um das Haus war es dank Schatten spendender Bäume ein paar Grad weniger heiß. Das Rauschen eines Springbrunnens war zu hören.
Eine wunderschöne Frau mit glänzenden Augen und lockigen schwarzen Haaren, die ihr bis über den Rücken hinabreichten, trat aus dem Haus. Freundlich lachend begrüßte sie Salih auf Arabisch. Sie trug ein Baumwollkleid und hatte nackte Arme und Beine. Die Handgelenke waren mit Armreifen geschmückt.
„Marhaban, marhaban jiddan, Salih!“
„Desi. Nadia“, stellte Salih die beiden Frauen einander vor, gerade als Desi den Hut abnahm, um ihre Stirn zu trocknen – und dabei ihr blondes Haar sehen ließ. „Desi spricht kein Arabisch, Nadia.“
„Oh, ich verstehe“, sagte sie freundlich und reichte Desirée die Hand. „Hallo und herzlich willkommen. Ich freue mich, dass ihr da seid. Salih, Ramiz ist bereits unterwegs hierher. Kommt doch schon mal herein.“
Durch den Hof führte sie die Reisenden in ein angenehm kühles und
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