Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
zu reiten, denn sein Maultier hatte auf dem Weg nach Norden genug geleistet und verdiente eine Ruhepause. Das Pferd war ein häßlicher, aber gutmütiger, diensteifriger Rotbrauner. Es war angenehm, allein durch den schönen Wintermorgen zu traben, über das weiche Gras, zwischen den Hügeln seiner Jugend, ohne Alltagspflichten und die Notwendigkeit, mit den Leuten zu reden - abgesehen von gelegentlichen Grußworten, die er den Bäuerinnen zurief, wenn er sie in ihren Höfen Holz hacken sah, oder den Männern, die ihre Schafherden zu neuen Weiden trieben. Und auch das war ein Vergnügen, denn er merkte, daß er instinktiv walisisch sprach. Hier lagen die Höfe weit verstreut.
    Erst hinter Croesau kam er in tiefer gelegenes, ertragreicheres Land, das dichter besiedelt war. Bei Anblick sorgsam kultivierter Felder ahnte er, daß er sich bereits auf dem Grund und Boden von Mallilie befand. Zur Rechten entsprang ein Bach und begleitete ihn bis zu dem Tal, wo die Berghänge zu beiden Seiten eng zusammenrückten. Nach einer Meile verbreiterte sich der Wasserlauf zu einem Flüßchen. An den Ufern erstreckten sich flache Wiesen, dahinter lagen die dunklen Rechtecke gepflügter Äcker. Die oberen Hänge waren bewaldet, das Tal zog sich nach Südosten der Morgensonne entgegen. Ein schönes Land, das seine Bewohner schützte und gut versorgte ... In der Tiefe des Engpasses erreichte er das Gutshaus am Fuß des rechtsgelegenen Hanges, halbkreisförmig von einem Wäldchen umgeben.
    Ein hoher Lattenzaun friedete das Anwesen ein, aber das Haus stand auf einer Anhöhe und überragte ihn. Es war aus heimischem Gestein erbaut, aus grauem Granit, und die Schieferplatten des massiven Daches glänzten wie Fischschuppen in der Sonne, nachdem sich der Frost in Tau verwandelt hatte. Cadfael überquerte den Fluß auf einer Plankenbrücke und ritt durch ein offenes, in den Zaun eingelassenes Tor. Nun sah er das Haus in seiner ganzen Länge vor sich. Eine Steintreppe schwang sich zum Eingang des Wohntraktes zur Linken empor. Drei ebenerdige Tore, breit genug, um Heuwagen hindurchzulassen, führten offenbar in ein unterirdisches Gewölbe, wo man in Belagerungszeiten Vorräte aufbewahren konnte. Giebelfenster verrieten, daß es über der Küche noch einen kleinen Raum gab. Die großen Hallenfenster waren mit steinernen Mittelpfosten versehen. An der Innenseite des Lattenzauns standen die Nebengebäude, die Stallungen, Scheunen und Lagerhäuser. Dies war in der Tat ein Besitz, nach dem sowohl normannische Herren, als auch enterbte junge Burschen und Benediktinerabteien trachten mochten.
    Und Richildis hatte bei ihrer zweiten Hochzeit eine erstaunlich gute Partie gemacht.
    Vermutlich arbeitete Bonels Dienerschaft immer noch hier, unter neuer Herrschaft. Ein Reitknecht eilte herbei, um Cadfaels Pferd zu übernehmen. Offensichtlich hielt er es nicht für nötig, einen Mann im Benediktinerhabit nach seinem Begehr zu fragen. Nur wenige Leute gingen im Hof ihrem Tagewerk nach, und diese wenigen wirkten zufrieden und selbstsicher. So eindrucksvoll das Haus war, es bedurfte keiner großen Dienerzahl. Sicher waren nur Einheimische auf Ma llilie beschäftigt, also Waliser, wie jene Dienstmagd, die ihrem Herrn das Bett gewärmt und ihm einen kaum beachteten Sohn geboren hatte. Vielleicht war Bonel sogar ein attraktiver Mann gewesen und hatte ihr nicht nur ein Kind, sondern auch Freuden geschenkt. Nun, zumindest hatte er sie hinterher bei sich behalten und auch den Jungen versorgt, allerdings nur als geduldete Abhängige, nicht als seine Verwandten. Ein Mann, der sich nicht mehr genommen hatte, als ihm von Rechts wegen zustand, der aber auch auf nichts verzichtet hätte, was in diesen Bereich gefallen war - ein Mann, der einem hungernden jüngeren Sohn aus freier Familie einen Leibeigenenhof zu Leibeigenenbedingungen überlassen und dann, im Einklang mit dem Gesetz, den Sohn jenes Mannes als Leibeigenen beansprucht hatte ...
    In diesem umstrittenen Grenzland, wo verschiedene Rechtsgepflogenheiten aufeinanderprallten, fühlte sich Cadfael ganz und gar als Waliser, konnte jedoch nicht leugnen, daß sich der Engländer ebenso leidenschaftlich auf seine Gesetze berufen hatte, im festen Glauben an sein gutes Recht. Bonel war kein schlechter Mensch gewesen, nur ein Kind seiner Zeit und dieses Ortes. Und er war ermordet worden ...
    Genaugenommen hatte Cadfael nichts in diesem Haus zu suchen. Trotzdem stieg er die Steintreppe hinauf und betrat den Korridor, der zur

Weitere Kostenlose Bücher