Das Mönchskraut
zur Herde hinaus, versorgten auch die Hühner, die Kuh und die restlichen Bewohner des kleinen Anwesens.
»Bis jetzt war das ein angenehmer Winter.« Bruder Simon betrachtete zufrieden seine langbeinigen, kräftigen Bergschafe.
Die Tiere, so walisisch wie Bruder Cadfael, starrten nach Südwesten zum langgezogenen Gebirgsrücken des Berwyn.
Sie hatten lange, hochmütige, unergründliche Gesichter, scharfe Ohren und wissende gelbe Augen, deren Blick sogar einen Heiligen aus der Fassung bringen konnte. »Nachdem das Gras bis zum Spätherbst gewachsen ist, haben wir immer noch genug übrig, und nach der Ernte konnten sie sich so richtig mit guten Stoppeln vollstopfen. Die Rübenblätter sind auch sehr nahrhaft. Wenn sie das nächstemal geschoren werden, dürfen wir uns auf eine bessere Wolle freuen als sonst - es sei denn, der Winter wird doch noch härter.«
Sie standen auf dem Grat des Hügels, oberhalb der ummauerten Hürden. Auch Cadfael schaute nach Südwesten, wo sich der lange Bergrücken zum Tiefland hinabzog, das zwischen niedrigeren Hügeln eingebettet war. »Irgendwo da drüben in diesem geschützten Gebiet muß Mallilie liegen.«
»Ja, das Haus steht zwischen den Hängen, drei Meilen entfernt, und das Land öffnet sich nach Südosten. Ein gutes Land, zumindest für diese Gegend. Und als ich einen Boten brauchte, war ich heilfroh, daß die Abtei einen Verwalter nach Mallilie beordert hat. Willst du dort was erledigen, Bruder?«
Gervase Bonels Haus mußte noch weiter drinnen im walisischen Land liegen als diese Hochweiden. Die Benediktiner hatten in Wales wenig zu bestellen, denn die Waliser zogen ihren alten keltischen Christenglauben, die heiligen Einsiedler, die sich selbst verbannt hatten, und das gemütliche kleine Kollegium keltischer Mönche den tatkräftigen, verstandesbetonten Ordensgemeinden vor, die eifrig nach Rom blickten. Im Süden waren die normannischen Abenteurer tiefer ins Land vorgedrungen, aber hier mußte Mallilie tatsächlich wie ein einziger großer Dorn tief im Fleisch von Wales stecken.
Bruder Rhys hätte es nicht besser ausdrücken können.
»Man braucht nicht lange, um nach Wales zu reiten«, fuhr Simon fort, sichtlich bemüht, seinem Bruder gefällig zu sein.
»Unser Pferd ist alt, aber stark, und es hat ohnehin viel zu wenig Bewegung. Wenn du morgen rüberreiten willst - ich komme sehr gut allein zurecht.«
»Wir wollen erst mal abwarten, wie es Bruder Barnabas morgen gehen wird«, entgegnete Cadfael.
Seit Bruder Barnabas nicht mehr fieberte, machte seine Genesung rasche Fortschritte. Noch bevor die Nacht hereinbrach, war er es leid, im Bett zu liegen, und bestand darauf, sich ein wenig die immer noch schwachen Beine zu vertreten. Seine angeborene Körperkraft und sein widerstandsfähiges Herz genügten jetzt vollauf, um ihn wieder ganz gesund zu machen. Trotzdem trank er gottergeben die Medizinen, die Cadfael ihm aufdrängte und ließ sich noch einmal mit der Salbe einreiben.
»Nun müßt ihr euch nicht mehr mit mir herumplagen«, meinte er. »Bald werde ich so frisch und munter sein wie ein junger Hund. Und wenn ich in den nächsten beiden Tagen noch nicht in die Berge gehen kann - was ich natürlich könnte, wenn ihr's erlauben würdet - werde ich die Hausarbeit erledigen und die Hühner und die Kuh versorgen.«
Am nächsten Morgen stand er auf, um an der Prim teilzunehmen, und wollte danach nicht mehr ins Bett gehen. Als ihm die beiden anderen Vorhaltungen machten, setzte er sich gemütlich ans Feuer und unternahm keine weiteren Anstrengungen, als Brot zu backen und das Mittagessen vorzubereiten.
»Nun, dann will ich heute nach Mallilie reiten, wenn du mich entbehren kannst, Simon«, sagte Cadfael. »Wenn ich jetzt aufbreche, kann ich das Tageslicht nutzen und bin rechtzeitig wieder hier, um dir bei der abendlichen Arbeit zu helfen.«
Bruder Simon begleitete ihn bis zu einer Wegbiegung und erklärte, Cadfael würde nach dem Dörfchen Croesau Bach zu einer Kreuzung kommen. Dort müßte er sich nach rechts wenden. Von dieser Stelle aus würde er sehen, wie sich die Hügel vor ihm teilten, und wenn er geradewegs auf dieses enge Tal zuritt, würde er Mallilie erreichen. Dahinter führte der Weg weiter nach Westen bis Llansilin, der Hauptstadt des Bezirks Cynllaith.
Der Morgen war dunstig, aber die Sonne schien hell durch den dünnen Nebel, das Gras war feucht, von funkelndem, schmelzendem Rauhreif überzogen. Cadfael hatte beschlossen, das Pferd von der Schafhürde
Weitere Kostenlose Bücher