Das Mönchskraut
Schenkung an die Abtei rechtskräftig gewesen wäre, hätte Meurig keine Ansprüche mehr anmelden können. Wie hätte er gegen die Abtei von Shrewsbury kämpfen sollen? Der Orden hätte seinen Einfluß geltend gemacht, um eine Verhandlung vor einem englischen Gericht zu erwirken. Und nach dem englischen Gesetz sind uneheliche Kinder - so sehr ich das auch beklage - nicht erbberechtigt. Es war ein reiner Zufall, herbeigeführt von einem guten Werk des jungen Mannes, der ihm ein Mordwerkzeug in die Hände spielte und ihn dazu verleitete, es anzuwenden. Das ist bedauerlich, denn er war nicht zum Mörder geschaffen. Nun steht er hier in seiner Schuld, und wir dürfen nicht zulassen, daß er die Früchte seines Verbrechens genießt.«
Der Vorsitzende lehnte sich mit einem tiefen Seufzer zurück und sah Meurig an, der Cadfael mit ausdrucksloser Miene zugehört hatte. »Was hast du dazu zu sagen?«
»Das ist völlig aus der Luft gegriffen«, entgegnete Meurig, ohne sich seine Verzweiflung anmerken zu lassen. »Ja, ich war im Haus meines Vaters, seine Frau, ihr Sohn und die beiden Diener waren ebenfalls anwesend - das ist alles. Ja, ich war zufällig im Hospital und wußte von diesem Öl. Aber wie kann man mir deshalb einen Mord vorwerfen? Genausogut könnte ich alle anderen beschuldigen, die meinen Vater sterben sahen.
Doch das werde ich nicht tun. Die Beamten des Landrates waren von Anfang an der Meinung, daß der Stiefsohn meines Vaters die Tat verübt hat. Ich sage nicht, daß das stimmt - ich sage nur, daß es gegen mich genauso wenige Beweise gibt wie gegen die anderen.«
»Doch«, erwiderte Cadfael. »Ich habe einen Beweis, der dieses Verbrechen um so bedauerlicher erscheinen läßt - denn er zeigt uns, daß es nicht impulsiv geschah, in einer zornigen Aufwallung, die später bereut wurde. Wer immer mein Eisenhutöl aus dem Hospital entwendete, muß ein Fläschchen mitgebracht haben, um es hineinzufüllen. Das Fläschchen mußte er nach der Tat einstecken, um es später, in einem unbeobachteten Augenblick, wegzuwerfen. Und der Ort, wo es weggeworfen wurde, beweist uns, daß Edwin Gurney nicht der Mörder ist. Alle anderen, die im Haus waren, könnten es sein - aber nicht dieser Junge. Er rannte geradewegs von der Küchentür zur Brücke, was mehrere Leute bezeugen können.«
»Das sind nichts als Worte -- trügerische Worte«, wandte Meurig ein, von neuer Zuversicht erfüllt. »Diese Flasche wurde nicht gefunden, sonst hätten wir das von den Beamten des Landrats erfahren. Bruder Cadfael hat sich diese ganze Geschichte nur ausgedacht, um das Gericht gegen mich einzunehmen.«
Natürlich wußte er es nicht. Nicht einmal Edwin und Hugh Beringar wußten Bescheid, nur Cadfael und Bruder Mark. Ein Glück, daß Bruder Mark die Fundstelle gekennzeichnet hatte und nicht als korrumpierter Repräsentant des Klosters hingestellt werden konnte ...
Cadfael nahm die fleckige grüne Phiole aus seinem Ranzen und wickelte sie sorgfältig aus dem weißen Tuch. »Doch, die Flasche wurde gefunden. Hier ist sie!« Mit ausgestrecktem Arm hielt er sie dem leichenblassen Meurig unter die Nase.
Der Angeklagte hatte seine Unsicherheit sofort wieder überwunden, aber Cadfael hatte ihn scharf beobachtet. Nun waren seine letzten Zweifel geschwunden. Tiefe Trauer stieg in ihm auf, denn er hatte den jungen Waliser gemocht.
Cadfael wandte sich wieder zur Richterbank. »Nicht ich habe dieses Fläschchen gefunden. Ein junger Novize hat es mir gebracht, der wenig über diesen Fall weiß und nichts zu gewinnen hat, wenn er lügt. Er hat den Fundort markiert. Die Phiole lag im Eis am Ufer des Mühlenteichs, vor dem Fenster von Bonels Wohnzimmer. Edwin Gurney war nicht einmal für eine Sekunde allein in diesem Raum und konnte sie nicht aus dem Fenster geworfen haben. Seht euch das Fläschchen an - aber vorsichtig, denn an der Außenseite befindet sich eine getrocknete Ölspur, und der Rest, der darin klebt, kann immer noch identifiziert werden.«
Meurig beobachtete, wie die Richter das Fläschchen inspizierten, das Cadfael ihnen mitsamt dem Tuch übergeben hatten, und sagte gelassen: »Selbst wenn wir das alles glauben - obwohl der Finder nicht hier ist und nicht für sich selbst sprechen kann, können vier Leute im weiteren Verlauf des Tages zu jenem Fenster gegangen sein, um das Fläschchen hinauszuwerfen. Ich war der einzige, der gegangen ist, denn ich mußte in die Werkstatt meines Meisters zurückkehren. Die anderen sind im Haus
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