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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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das Kind als sein Fleisch und Blut anerkannt hat. Nur dann kann ein junger Mann in seine Rechte eingesetzt werden und den Besitz des Vaters erben.«
    »Diese Schwierigkeit besteht nicht«, erwiderte Meurig stolz und zog ein zusammengerolltes Pergament aus einer Innentasche seines Wamses. »Ich bitte das Gericht, dieses Dokument zu prüfen. Es ist ein Lehrvertrag, in dem Gervase Bonel geschrieben hat, daß ich sein Sohn bin, der sein Siegel trägt.« Er trat vor und händigte das Pergament dem Gerichtsschreiber aus, der es aufmerksam studierte.
    »Ja, das stimmt. Dies ist eine Vereinbarung zwischen Martin Bellecote, einem Zimmermannsmeister aus Shrewsbury, und Gervase Bonel. Hier steht, daß der junge Meurig bei Bellecote das Zimmermannshandwerk und die Holzschnitzerei erlernen soll. Der Meister erhielt eine gewisse Summe für die Verpflegung des Lehrlings, und dieser sollte ein Gehalt bekommen. Das Siegel ist in Ordnung, und der junge Mann wird als ›mein Sohn‹ bezeichnet. Damit hat Bonel ihn zweifelsohne als seinen Sohn anerkannt.«
    Meurig atmete auf und wartete. Die Richter berieten sich im Flüsterton, mit ernsthaften Gesichtern.
    »Wir haben übereinstimmend festgestellt, daß dieser Beweis unwiderlegbar ist«, sagte der Vorsitzende. »Du bist also Gervase Bonels Sohn und hast einen Anspruch auf das Landgut. Andererseits wissen wir, daß eine Vereinbarung mit der Abtei von Shrewsbury getroffen wurde. Mallilie sollte dem Kloster übertragen werden. Dieses Schriftstück wurde allerdings nicht gesiegelt. Aufgrund dieses Abkommens hat die Abtei noch vor Bonels unglückseligem Tod einen Verwalter nach Mallilie geschickt. Der Anspruch eines Sohnes ist unter diesen Umständen durchaus berechtigt, sollte aber angesichts der soeben erwähnten Komplikationen auf dem Rechtsweg erhoben werden. Man muß den englischen Oberlehnsherrn berücksichtigen, auch die Ansprüche, die das Kloster stellen wird, mit der Begründung, Bonel hätte seine Absichten klar zum Ausdruck gebracht - auch wenn die Vereinbarung nicht gesiegelt wurde. Du mußt also einen formellen Prozeß anstrengen, Meurig, und wir raten dir, einen Anwalt zu konsultieren.«
    »Mit Verlaub«, entgegnete Meurig, bleicher und erregter denn je, die Hände geballt, als wären sie bereits mit dem ersehnten Erdreich gefüllt, »es gibt im walisischen Gesetz eine Bestimmung, derzufolge ich den Besitz schon jetzt übernehmen kann - bevor der Prozeß geführt wird. Nur der Sohn darf das tun - und ich bin der Sohn des Toten. Ich beanspruche das Recht von dadanhudd - das Recht, das Heim meines Vaters zu bewohnen. Wenn es das Gericht gestattet, so werde ich jetzt mit meinen Zeugen gehen und das Haus betreten, das rechtmäßig mir gehört.«
    Bruder Cadfael war so gefesselt von der verzehrenden Leidenschaft, die den jungen Mann erfüllte, daß er einen wichtigen Augenblick beinahe ungenützt verstreichen ließ. Sein walisisches Blut wallte auf in hilflosem Mitleid mit dieser heißen Liebe zu dem Land, das Meurig aufgrund seiner Herkunft in Besitz nehmen dürfte, das ihm aber nach englisch-normannischem Recht verweigert wurde. In dieser Stunde strahlte der junge Mann eine fast majestätische Kraft aus, und die zwingende Macht seiner Sehnsucht zog Richter, Zeugen und sogar Cadfael in ihren Bann.
    »Das Gericht befindet, daß dein Anspruch berechtigt ist«, sagte der Vorsitzende, »und niemand kann dir verwehren, in das Haus zu ziehen. Der Form halber müssen wir die Zuhörerschaft befragen, nachdem der Fall vor dieser Sitzung nicht bekanntgegeben wurde. Wenn jemand hier ist, der Einwände erheben will, so soll er jetzt vortreten.«
    »Ja ...« Mühsam löste sich Cadfael aus seiner Verzauberung. »Ich habe etwas vorzubringen, bevor das Gericht den Antrag genehmigt. Da gibt es nämlich noch ein Hindernis.«
    Alle Köpfe wandten sich zu ihm, alle Augen starrten ihn an.
    Die Richter reckten sich empor, um nach dem Besitzer der lauten Stimme Ausschau zu halten, denn Cadfael war nicht größer als die meisten anderen Landsleute, und viele Halbglatzen glichen seiner Tonsur. Meurig hatte sich abrupt umgedreht, mit unbewegtem Gesicht und ausdruckslosem Blick. Die Stimme hatte ihn wie ein Messer durchdrungen, aber er erkannte sie nicht, und er war sekundenlang so benommen, daß er nicht einmal die Bewegung in der Menge wahrnahm, während sich Cadfael einen Weg bahnte.
    »Du bist vom Benediktinerorden?« fragte der Vorsitzende verwirrt, als die kräftige Gestalt im schwarzen Habit vor

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