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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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geblieben.«
    Trotzdem - aus der Anklage hatte sich ein Prozeß entwickelt.
    Und bei aller bewundernswerten und beängstigenden Tapferkeit gelang es Meurig nicht zu verhindern, daß sich ein verzweifelter Unterton in seine Stimme schlich. Er wußte es selbst, und er begann sich zu sorgen - nicht um seine Haut, sondern um das Land, das er liebte, auf dem er geboren war.
    Bruder Cadfael fühlte sich innerlich zerrissen. Damit hatte er nicht gerechnet, und sein Kummer veranlaßte ihn zu einer Maßnahme, die zu Erfolg oder Mißerfolg führen konnte. Denn er ertrug diese inneren Kämpfe nicht mehr, und Edwin saß im Gefängnis, was nicht einmal Meurig wußte. Wäre es ihm mitgeteilt worden, hätte es ihn ermutigt und vielleicht gleichzeitig bedrückt. Während des langen Verhörs an Bonels Todestag hatte er kein einziges mal versucht, den Verdacht auf Edwin zu lenken - nicht einmal, als die Ermittlungen des Wachtmeisters in diese Richtung gewiesen hatten.
    »Zieht den Stöpsel heraus!« drängte Cadfael die Richter.
    »Der Geruch ist immer noch ziemlich stark. Ihr müßt mir glauben, daß Bonel mit diesem Öl vergiftet wurde. Ihr seht, daß es außen an der Flasche herabgeronnen ist, denn nach der Tat wurde es hastig und unzureichend verschlossen. Der Täter trug die Phiole eine Zeitlang bei sich, während die Beamten kamen und gingen. Das Öl muß einen Fleck verursacht haben, der sich nicht entfernen ließ und stark duftet ... Ja, ich sehe, ihr habt das Aroma wahrgenommen ...« Cadfael wandte sich blitzschnell zu Meurig und zeigte auf den Leinenbeutel, der am Gürtel des jungen Mannes hing. »Ich erinnere mich, daß du dieses Säckchen auch an jenem Tag getragen hast. Gib es den Richtern - damit sie feststellen können, ob die Phiole ein oder zwei Stunden, vielleicht auch länger, darin gelegen und ihre Spuren hinterlassen hat. Komm, Meurig, mach den Beutel von deinem Gürtel los!«
    Die Hand des jungen Mannes näherte sich tatsächlich dem Gürtel, als wollte er in seiner Verwirrung unwillkürlich gehorchen. Cadfael wußte, daß der Beutel möglicherweise unbefleckt war - wenn er auch nicht mehr bezweifelte, daß sich die Flasche an jenem langen, unglückseligen Nachmittag nach Bonels Tod darin befunden hatte. Es bedurfte nur kühner Hartgesottenheit - und der Beweis gegen Meurig würde zerplatzen wie eine Seifenblase. Dann würde nur der Schatten eines Verdachts zurückbleiben, so belanglos wie die Feuchtigkeit geborstener Seifenblasen auf einer Handfläche.
    Doch Meurig konnte nicht sicher sein - und wenn man keine Flecken in dem Beutel fand, sprach ihn das noch nicht frei von jeder Schuld. Aber wenn der Beutel Ölspuren aufwies, war er verloren. Die Finger, die beinahe die Schnüre des Beutels gelöst hätten, ballten sich zur Faust.
    »Nein!« stieß Meurig hervor. »Warum sollte ich mich einer so würdelosen Prüfung unterziehen? Die Abtei hat diesen Mann hierhergeschickt, um meinen Erbanspruch anzufechten!«
    »Sein Ansinnen ist nicht unbillig«, entgegnete der Vorsitzende Richter streng. »Du mußt das Säckchen dem Gericht übergeben. Uns kann niemand verdächtigen, daß wir dich fälschlich beschuldigen, denn wir haben nichts zu gewinnen. Also fordern wir dich auf, das Beweisstück dem Gerichtsschreiber auszuhändigen.«
    Der Schreiber war es gewohnt, daß die Anordnungen der Richter ohne Zögern befolgt wurden. Mit ausgestreckter Hand ging er auf Meurig zu. Doch der junge Mann ließ sich nicht auf dieses Wagnis ein. Plötzlich wirbelte er herum, stürmte zur offenen Tür und stieß die Zeugen beiseite, die ihn begleitet hatten. Wenige Sekunden später rannte er durch das bleiche Winterlicht des Morgens. Hinter ihm brach ein Aufruhr aus. Die Hälfte der Versammelten verließ die Kirche, um dem Flüchtling zu folgen - wenn sie ihm auch nur halbherzig nachliefen, nachdem der erste Impuls verebbt war. Sie sahen, wie Meurig über die Steinmauer des Friedhofs sprang und auf den bewaldeten Hang zusteuerte, der dahinter anstieg. Bald war er zwischen den Bäumen verschwunden.
    Schweigen erfüllte die halbleere Kirche. Meurigs Zeugen schauten sich hilflos an. Sie hatten sich nicht an der Verfolgungsjagd beteiligt. Nach einer Weile begannen die Richter leise zu beratschlagen. Eine bleierne Müdigkeit hatte Cadfael befallen, die ihn aller Kräfte und Gedanken zu berauben schien - bis er tief Atem holte und aufblickte.
    »Dies ist kein Geständnis, und es wurde auch keine offizielle Anklage gegen ihn erhoben. Aber Meurigs

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