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Das Mörderschiff

Das Mörderschiff

Titel: Das Mörderschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Fuß oder eine Hand an der falschen Stelle, ein flatterndes Hosenbein oder ein Teil der Ölkleidung, die sich zwischen Kette und Trommel verfangen, und schon ist man ohne Hand oder Fuß, bevor man Zeit hat aufzuschreien, geschweige denn die Maschine abzustellen, die sich wie immer hinter der Winde befindet. Das Ganze auf einem nassen schlüpfrigen Deck zu tun, ist doppelt gefährlich. Auf einem nassen schlüpfrigen Deck in absoluter Finsternis bei strömendem Regen und einem schwankenden Schiff unter den Füßen. Gar nicht zu reden davon, daß man die Bremsvorrichtung weglassen muß und die Winde durch eine Zeltplane abgedeckt ist. Alles in allem eine recht gefährliche Angelegenheit. Aber nicht so gefährlich wie die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit unserer Freunde von der ›Shangri-la‹ zu erregen. Vielleicht weil ich zu sehr arbeitete, vielleicht auch, weil das Herunterlassen der Ankerkette einen gewissen Lärm machte, konnte ich das Geräusch nicht sofort hören, auch nicht, woher es kam. Zweimal dachte ich, ich hätte weit entfernt die Stimme einer Frau vernommen. Beide Male war ich der Meinung, daß sie von einer Party auf einer der kleineren Jachten in der Bucht herrührte. Um festzustellen, wieviel Gallonen Gin in den britischen Jachthäfen nach Sonnenuntergang verbraucht werden, hätte man ein Elektronengehirn der IBM nötig. Dann hörte ich die Stimme wieder. Diesmal sehr viel näher. Ich ließ sofort alle Gedanken an eine Party fallen. Der einzige Verzweiflungsschrei, den man jemals auf einer Jachtparty hören kann, ist der, wenn der Gin ausgeht. Dieser unterdrückte Verzweiflungsschrei klang ganz anders. Ich schaltete die Winde ab, und alle Geräusche auf dem Vorderschiff verstummten. Die Pistole in der Hand, horchte ich angestrengt.
    »Helfen Sie mir!« Die Stimme klang leise, dringend und verzweifelt. »Um Himmels willen, helfen Sie mir.«
    Die Stimme kam vom Wasser, ungefähr von der Mitte des Schiffes her. Ich ging leise in diese Richtung und stand dann bewegungslos. Ich dachte an Hunslett und bewegte keinen Muskel. Ich hatte nicht die Absicht, irgend jemandem zu helfen, ehe ich nicht sicher war, daß die Stimme nicht aus einem Boot kam, in dem sich zwei weitere Passagiere befanden, von denen jeder ein Maschinengewehr in der Hand hielt. Ein Wort nur, ein unvorsichtiger Lichtstrahl, ein Finger am Abzug, und Calvert würde bei seinen Vorfahren sein, das heißt, falls diese noch etwas mit ihm zu tun haben wollten, wenn er sich so dumm benahm.
    »Bitte! Bitte, helfen Sie mir! Bitte!« Ich half ihr. Nicht so sehr, weil die Verzweiflung in ihrer Stimme echt klang, sondern weil es ohne jeden Zweifel die Stimme von Charlotte Skouras war.
    Ich stieß zwischen den unteren Schutzgittern einen Gummireifen hindurch, der immer an einem der Pfeiler der Reling hing, und ließ ihn ins Wasser. Ich sagte: »Lady Skouras?«
    »Ja, ja, ich bin es. Gott sei Dank, Gott sei Dank.« Ihre Stimme kam stockend, sie rang nach Luft und hatte Wasser im Mund.
    »Hier auf der Seite des Bootes ist ein Tau, fassen Sie es.«
    Nach ein oder zwei Augenblicken hörte ich: »Ich habe es.«
    »Können Sie sich daran hochziehen?«
    Ich hörte Platschen, schweres Keuchen und dann: »Nein, nein, ich schaffe es nicht.«
    »Das macht nichts, warten Sie.« Ich drehte mich herum, um Onkel Arthur zu holen, aber er stand bereits neben mir. Ich sagte ihm leise ins Ohr: »Lady Skouras ist dort unten im Wasser. Es könnte eine Falle sein. Aber ich glaube es nicht. Sollten Sie irgendwo ein Licht sehen, dann schießen Sie.«
    Er sagte nichts, aber ich fühlte, wie sich sein Arm bewegte, als er die Luger aus der Tasche nahm. Ich stieg über die Reling und ließ mich so weit hinunter, bis mein Fuß den Rand des Reifens berührte. Dann beugte ich mich vor und faßte ihren Arm. Charlotte Skouras besaß keine schmale sylphidenhafte Figur, noch dazu hatte sie ein dickes Paket um die Hüften gebunden. Ich war nicht so fit, wie ich es vor langer, sehr langer Zeit gewesen war, sagen wir, vor ungefähr achtundvierzig Stunden, aber mit Onkel Arthurs Hilfe gelang es mir, sie an Deck zu bringen. Zwischen uns beiden schleppten wir sie in den Salon, in dem die Vorhänge zugezogen waren, und setzten sie auf die Bank. Ich schob ihr ein Kissen unter den Kopf und sah sie lange an.
    Sie wäre niemals als Titelblatt für die Vogue in Frage gekommen. Sie sah furchtbar aus. Ihre dunklen Haare und ihr Hemd sahen aus, als ob sie damit einen Monat lang im Meer gewesen wäre,

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