Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mörderschiff

Das Mörderschiff

Titel: Das Mörderschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
Vom Netzwerk:
statt, wie es wahrscheinlich der Fall war, nur ein paar Minuten. Das lange, zerraufte rotbraune Haar klebte ihr am Kopf und an den Wangen. Ihr Gesicht war totenbleich. Die großen braunen Augen mit den tiefen Ringen darunter waren weit geöffnet und voller Angst. Die Augentusche war ausgelaufen, und der Lippenstift war verschmiert. Auch ohne das war sie nie schön gewesen. Aber für mich war sie die begehrenswerteste Frau, die ich je gesehen hatte. Wahrscheinlich war ich verrückt.
    »Meine liebe Lady Skouras, meine liebe Lady Skouras!« Onkel Arthur war wieder unter Aristokraten, und er zeigte es auch. Er kniete an ihrer Seite nieder und versuchte völlig sinnlos ihr Gesicht mit einem Taschentuch abzutrocknen. »Was, um Himmels willen, ist denn geschehen? Einen Brandy, einen Brandy, Calvert. Stehen Sie doch nicht so herum, einen Brandy!«
    Onkel Arthur schien zu glauben, daß er sich in einem Lokal befand. Aber er hatte Glück, ich hatte wirklich noch etwas Brandy übrig. Ich gab ihm das Glas und sagte: »Wenn Sie sich weiter um Lady Skouras kümmern wollen, Sir, dann werde ich weitermachen und den Anker heraufholen.«
    »Nein, nein!« Sie trank einen Schluck Brandy, hustete, und ich mußte warten, bis sich der Husten gelegt hatte und sie fortfahren konnte. »Es dauert noch mindestens zwei Stunden, bis sie kommen. Ich weiß es, ich habe es gehört. Irgend etwas Furchtbares geht vor, Sir Arthur. Ich mußte kommen, ich mußte einfach kommen.«
    »Regen Sie sich nicht auf, Lady Skouras, regen Sie sich auf keinen Fall auf«, sagte Onkel Arthur, als ob sie sich nicht schon genug aufgeregt hätte. »Jetzt trinken Sie das schön langsam aus, Lady Skouras.«
    »Nein, nur das nicht.« Ich fand die Art und Weise, wie sie meinen Brandy zurückwies, nicht gerade nett, schließlich war es ein erstklassiger Brandy, bis mir klar wurde, daß sie etwas ganz anderes meinte. »Nicht Lady Skouras, niemals wieder! Charlotte. Charlotte Meiner. Charlotte.«
    Eins muß man Frauen lassen, sie haben einen ausgesprochenen Sinn für Nichtigkeiten. Da drüben auf der ›Shangri-la‹ waren sie im Augenblick gerade beschäftigt, eine hausgemachte Atombombe in unser Salonfenster zu werfen, und das einzige, was ihr einfiel, war die Aufforderung, sie Charlotte zu nennen. Ich sagte: »Warum mußten Sie kommen?«
    »Calvert!« Die Stimme von Onkel Arthur klang scharf. »Lady – ich meine – Charlotte hat soeben einen schweren Schock hinter sich. Lassen Sie ihr doch Zeit zu …«
    »Nein.« Sie setzte sich mühsam auf und zwang sich zu einem schwachen Lächeln. Halb erschreckt und halb überlegen. »Nein, Mr. Peterson oder Mr. Calvert, wie Sie auch heißen mögen. Sie haben ganz recht, Schauspielerinnen neigen dazu, zu übertreiben. Aber ich bin keine Schauspielerin mehr.« Sie trank einen Schluck Brandy, und langsam kam wieder Farbe in ihr Gesicht. »Ich wußte schon seit einiger Zeit, daß etwas sehr Merkwürdiges auf der ›Shangri-la‹ vor sich ging. Eigenartige Menschen sind an Bord gekommen, einige Mitglieder der alten Besatzung wurden ohne jeden Grund ausgewechselt. Bei verschiedenen Gelegenheiten wurde ich mit der Stewardeß an Land in einem Hotel abgesetzt, während die ›Shangri-la‹ mysteriöse Reisen unternahm. Mein Mann – Sir Anthony – war nicht bereit, mir irgend etwas zu erklären. Er hat sich seit unserer Hochzeit schrecklich verändert. Ich glaube, er nimmt Drogen. Ich habe Gewehre gesehen. Immer wenn diese seltsamen Menschen an Bord kamen, wurde ich in meine Kabine geschickt, unmittelbar nach dem Essen.« Sie lächelte traurig. »Der Grund dafür war nicht etwa die Eifersucht meines Mannes, das können Sie mir glauben. In den letzten beiden Tagen habe ich gespürt, daß alles einem Höhepunkt zusteuert. Heute nacht, kurz nachdem Sie weggegangen waren, wurde ich wieder in meine Kabine geschickt. Ich verließ den Salon, blieb aber vor der Tür stehen. Lavorski sprach gerade. Ich hörte, wie er sagte: ›Wenn Ihr Freund, der Admiral, ein UNESCO-Delegierter ist, Skouras, dann bin ich Neptun persönlich. Ich weiß, wer er ist. Wir alle wissen es. Aber jetzt ist es zu spät, und sie wissen zu viel. Entweder sie oder wir‹. Und dann sagte Kapitän Imrie – wie ich diesen Mann hasse: ›Ich werde heute um Mitternacht Quinn und Jacques und Kramer schicken. Um ein Uhr heute nacht werden sie im Sund den Kahn versenken.‹«
    »Wirklich nette Freunde, die Ihr Gatte da hat«, murmelte ich.
    Sie sah mich ein bißchen unsicher und

Weitere Kostenlose Bücher