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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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jetzt?«
    Der Gumashta senkte die Stimme: »Alles in Ordnung. Keine Formalitäten. Alles mir ist bekannt.«

    »Was soll das heißen?«
    »Hier«, sagte Babu Nob Kissin zuvorkommend. »Ich zeige, was in Busen versteckt ist.«
    Der Gumashta schob die Hand in den Halsausschnitt seines kurtās und griff so weit nach unten, dass Zachary nicht überrascht gewesen wäre, wenn er eine große Brust bloßgelegt hätte. Tatsächlich brachte Nob Kissin jedoch eine zylindrische Kupferhülse zum Vorschein. »Sie sehen, wie gut ich habe versteckt? So höchste Sicherheit kann gewährt sein. Aber Warnung ich muss aussprechen.«
    »Ja, was denn?«
    »Ich bedaure mitteilen, Ort ist nicht geeignet.«
    »Geeignet wofür?«
    Der Gumashta beugte sich vor und flüsterte Zachary ins Ohr: »Für Dummheiten mit Kuhhirtinnen.«
    »Wovon reden Sie, Pander?«, rief Zachary aufgebracht. »Ich wollte der Frau nur helfen, weil ihr ihre Sachen runtergefallen waren.«
    »Besser die Damen in Ruhe lassen«, sagte der Gumashta. »Auch Flöte besser nicht zeigen. Sie dann vielleicht zu sehr erregt.«
    »Meine Flöte zeigen?« Nicht zum ersten Mal fragte sich Zachary, ob der Gumashta nicht nur exzentrisch, sondern auch geistesgestört war. »Fort mit Ihnen, Pander. Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe.«

    Zachary machte auf dem Absatz kehrt und trat ans Schanzkleid. Sein Handrücken war immer noch gerötet von dem Klaps, den die Frau ihm verpasst hatte. Er besah ihn stirnrunzelnd – er konnte sich nicht erklären, warum ihm der Vorfall so naheging. Er hatte die Frau in dem grünen Sari schon bemerkt, bevor sie ihr Bündel fallen ließ: Sie war als Erste an
Bord gekommen, und irgend etwas an der Neigung ihres Kopfes hatte ihm den Eindruck vermittelt, dass sie ihn unter ihrem Schleier hervor beobachtete. Ihr Gang schien mit jedem Schritt an Deck langsamer und schwerer zu werden. Und selbst, als sie mit ihrem herabgefallenen Bündel kämpfte, hatte sie dafür nur die eine hennageäderte Hand benutzt und mit der anderen ihren Sari zusammengehalten. Sie war so sehr darauf bedacht, sich vollständig bedeckt zu halten, als fürchtete sie den Blick eines Mannes wie eine züngelnde Flamme. Bei dem Gedanken musste er lächeln, und plötzlich erinnerte er sich daran, mit welch brennender Verachtung Paulette ihn bei ihrer letzten Begegnung behandelt hatte. Deshalb schaute er jetzt zum Ufer hinüber und fragte sich, ob sie irgendwo in der Nähe war und zur Ibis herüberschaute. Von Jodu wusste er, dass sie von ihrer Krankheit genesen war; sicher würde sie sich noch verabschieden wollen, bevor das Schiff auslief – vielleicht nicht von ihm, aber zumindest von Jodu? Und sicher hatte sie inzwischen eingesehen, dass er und Jodu nur ihr Bestes gewollt hatten?
    Plötzlich stand, wie durch einen Zaubertrick herbeigerufen, Serang Ali neben ihm. »Nix hab hör?«, fragte er leise. »Lambert-Miss hab mach davon, will heirat ander Stuk Mann. Besser Malum Zikri vergess. Is soso viel zu dürr. China-Land kann schnappi ander gut Stuk Weif. Mach Malum Zikri viel gliklich in-drin.«
    Zachary schlug mit der Faust auf den Handlauf des Schanzkleides. »Alles, was recht ist, Serang Ali! Willst du endlich damit aufhören? Du mit deinen verdammten Weifs und Pander mit seinen Kuhhirtinnen. Wenn euch irgendwer hört, muss er denken, da ist ein hemmungsloser Lustmolch unterwegs …«
    Serang Ali unterbrach ihn, indem er ihn unversehens zur Seite stieß und rief: »Achtung, Kadett, Achtung!« Zachary
blickte gerade noch rechtzeitig über die Schulter, um zu sehen, wie die Schiffskatze Crabbie wie von Hunden gehetzt auf dem Schanzkleid entlanglief, sich einmal ganz kurz vom Fallreep abstieß und dann in das Boot sprang, das längsseit festgemacht hatte. Ohne auch nur einen Blick zurück auf das Schiff zu werfen, auf dem sie um die halbe Welt gefahren war, verschwand die getigerte Katze auf Nimmerwiedersehen.
    An Deck starrten die Laskaren und Auswanderer dem Tier mit offenem Mund nach, und sogar Zachary bekam eine Gänsehaut: Er hatte alte Seeleute von Vorahnungen reden hören, bei denen sich einem der Magen zusammenkrampft, doch bis jetzt hatte er nie geglaubt, dass ihm das auch einmal passieren könnte.
    Mamdu-Tindal oben auf der Rah war bleich geworden.
    »Hast du das gesehen?«, fragte er Jodu.
    »Was?«
    »Die Katze ist über Bord gesprungen. Wenn das kein böses Vorzeichen ist!«

    Als letzte der Frauen kam Diti an Bord, und sie stieg gerade das Fallreep hinauf, als die Katze im Sprung

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