Das mohnrote Meer - Roman
Schiff hinüber«, sagte er. »Frag die Serangs, wem das Schiff gehört und wie viele Offiziere an Bord sind.«
»Huzūr. «
Parimal zog sich mit einem ehrerbietigen Nicken zurück, und schon bald legte eine schlanke Panshoi vom Raskhali-Badgero ab und ging bei der Ibis längsseits. Eine knappe halbe Stunde später kehrte Parimal zurück und berichtete, das Schiff gehöre Burnham-Sahib aus Kalkutta.
»Wie viele Offiziere sind an Bord?«, erkundigte sich Nil.
»Topī-vālās mit Hut sind nur zwei da«, sagte Parimal.
»Und wer sind sie, die beiden Sahibs?«
»Der eine ist ein Mr. Reid aus England Nummer zwei«, sagte Parimal. »Der andere ist ein Lotse aus Kalkutta, Doughty-Sahib. Huzūr wird sich vielleicht erinnern: In der alten Zeit war er oft in der Raskhali-Rajbari. Er sendet seine Grüße.«
Nil nickte, obwohl er sich nicht an den Lotsen erinnerte. Er übergab seine Drachenschnur einem Diener und bedeutete Parimal, ihm in seine Kajüte unter Deck zu folgen. Dort schnitt er einen Federkiel zu, nahm ein Blatt Papier, schrieb einige Zeilen und streute dann eine Handvoll Sand auf die Seite. Als die Tinte getrocknet war, gab er den Brief Parimal. »Hier«, sagte er, »bring ihn zu dem Schiff und händige ihn Doughty-Sahib persönlich aus. Sag ihm, der Raja gibt sich die Ehre, Mr. Reid und ihn selbst zu einem Dinner auf dem Raskhali-Badgero zu bitten. Komm rasch zurück und berichte mir, was sie dazu sagen.«
»Huzūr .«
Parimal verbeugte sich und entfernte sich rückwärts durch die Tür. Nil blieb an seinem Schreibtisch zurück, und dort fand ihn etwas später Elokeshi, als sie in einem Wirbel von Armreifen und einer Wolke von attar -Parfüm hereingetänzelt kam: Er saß in einem Sessel, die Fingerspitzen aneinandergelegt, in Gedanken versunken. Mit einem glucksenden Lachen hielt sie ihm die Augen zu und rief: »Da bist du ja – und wieder allein! Du Böser! Nie hast du Zeit für deine Elokeshi.«
Nil löste ihre Hände von seinen Augen und schaute sie lächelnd an. Unter Kennern in Kalkutta galt Elokeshi nicht als große Schönheit: Ihr Gesicht war nach herkömmlichen Begriffen zu rund, der Nasenrücken zu flach, die Lippen zu voll. Ihr ganzer Stolz war ihr langes, fließendes schwarzes Haar, das sie, nur von ein paar goldenen Spangen zusammengehalten, gern über die Schultern herabfallen ließ. Aber nicht so sehr ihr Aussehen hatte Nil bezaubert als vielmehr ihr sonniges Gemüt, ihr im Vergleich zu seiner trübsinnigen Grundstimmung geradezu übersprudelndes Temperament. Obwohl etliche Jahre älter als er und durchaus welterfahren, gab sie sich noch immer so unbeschwert heiter und kokett wie zu der Zeit, als sie sich zum ersten Mal als Tänzerin wunderbar leichtfüßiger tukrās und tihāīs hervorgetan hatte.
Nun warf sie sich auf das große Himmelbett in der Mitte der Kajüte und drapierte ihre Tücher und dupattās so, dass ihr Schmollmund bloß lag, während das übrige Gesicht verhüllt blieb. »Zehn Tage auf diesem plumpen Kahn«, stöhnte sie, »ganz allein, ohne jede Ablenkung, und nie gönnst du mir auch nur einen einzigen Blick.«
»Ganz allein – und was ist mit denen da?« Nil neigte lachend den Kopf zur Tür hin, an der drei Mädchen kauerten und zu ihrer Herrin hinübersahen.
»Ach, die … das sind doch nur meine kleinen kanchanīs , meine Tanzmädchen.«
Elokeshi kicherte hinter vorgehaltener Hand: Sie war ein Geschöpf der Großstadt, süchtig nach den überfüllten Basaren Kalkuttas, und sie hatte darauf bestanden, ein paar Gefährtinnen mitzunehmen, die ihr auf dieser ungewohnten Expedition ins Landesinnere Gesellschaft leisten sollten; die drei Mädchen waren zugleich Zofen, Anhängerinnen und Schülerinnen, unentbehrlich für die Verfeinerung ihrer Kunst. Auf einen Wink des Zeigefingers ihrer Herrin zogen sich die Mädchen jetzt zurück und schlossen die Tür hinter sich. Doch selbst auf dem Rückzug entfernten sie sich nicht weit von ihrer Herrin: Um jede Störung abzuwehren, kauerten sie sich auf dem Gang zusammen und standen nur ab und zu auf, um durch die Lamellen eines Lüftungsschlitzes in der Teakholztür zu spähen.
Kaum war die Tür geschlossen, entledigte sich Elokeshi eines ihrer langen dupattās und ließ ihn über Nils Kopf fließen, schlang das Tuch um ihn und zog ihn damit zum Bett. »Komm zu mir«, schmollte sie, »du hast lange genug an diesem Schreibtisch gesessen.« Als Nil sich neben sie legte, drückte sie ihn in die Kissen zurück. »Und jetzt sag
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