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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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vorsichtig wählen musste, um Crowle nicht zu provozieren, und murmelte so friedfertig wie möglich: »Ich würde sagen, Ihre Chancen sind nicht gut, Sir.«
    »Ganz schön großspurig, hm?«, sagte der Steuermann grinsend zum Subedar. »Du machst es nicht, Jack?«
    »Ich möchte nicht, Sir.«
    »Bist dir ganz sicher, ja?«
    »Ja, Sir«, sagte Nil.
    »Aber du könntest der Erste sein«, sagte der Steuermann. »Besprenkel seine Birne mit deinem Piephahn, und du bist raus. Na, wie wär’s? Du machst deinen Kumpel nass und damit basta. Was meinst du, Raja-Jack? Willst du’s nicht doch probieren?«
    Nil wusste, dass er es nicht tun konnte, es sei denn mit einem Messer an der Kehle. »Nein, Sir, ich nicht.«
    »Du machst es nicht?«
    »Nein, Sir.«
    »Und dein Kumpel da?«, bohrte der Steuermann weiter. »Was ist mit ihm?«
    Plötzlich holte der Schoner über, und Ah Fatt, stets der Standfestere von beiden, packte Nil am Arm, damit er nicht stürzte. An anderen Tagen hätte ihm das wahrscheinlich Schläge von Bhairo Singh eingebracht, doch diesmal nahm der Subedar, wohl zugunsten eines höheren Zwecks, keine Notiz davon.
    »Dein Kumpel macht’s auch nicht, da bist du dir sicher?«, fragte Crowle.
    Nil sah zu Ah Fatt hin, der stoisch auf seine Füße schaute. Es war seltsam, dass sie beide, obwohl sie sich erst ein paar Wochen
lang kannten – zwei bedauernswerte Sträflinge –, etwas besaßen, das den Neid von Männern erregen konnte, die unumschränkte Gewalt über sie hatten. Konnte eine Freundschaft wie die ihre etwas an sich haben, was andere dazu reizte, ihren ganzen Einfallsreichtum aufzubieten, um die Grenzen dieser Bindung auszuloten? Wenn ja, dann war Nil genauso gespannt auf den Ausgang wie Crowle und sein Kumpan.
    »Wenn du nicht mitmachst, Raja-Jack, dann muss ich mein Glück bei deinem Kumpel versuchen.«
    »Ja, Sir, nur zu.«
    Mr. Crowle lachte, und genau in diesem Moment schwappte eine Welle über das Backdeck, und im Widerschein der Gischt leuchteten einen Moment lang seine Zähne auf. »Was mich interessiert, Raja-Jack, weißt du, warum dein Freund verurteilt wurde?«
    »Wegen Raub, Sir, soviel ich weiß.«
    »Das hat er dir gesagt, mehr nicht?«
    »Nein, Sir.«
    »Hat er dir nicht gesagt, dass er auch ein Haudrauf war, hm?«
    »Ich verstehe nicht, Sir.«
    »Hat ein Nest von Kuttenbrunzern ausgeräumt.« Crowle warf Ah Fatt einen Blick zu. »Stimmt’s, China-Jack? Hast du nicht die Mission beklaut, in der du gewohnt und zu essen bekommen hast?«
    Ah Fatt murmelte: »Sir. Ist wahr, ich in die Mission in Kanton gegangen. War aber nicht wegen Reis. War, weil ich wollte nach Westen fahren.«
    »Nach Westen?«
    »Nach Indien, Sir«, sagte Ah Fatt und trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich will reisen und ich höre, Mission schickt chinesisch Kirchenmänner auf Seminar in Bengal. Also ich
eintrete, und sie schicken auf Mission-Seminar in Serampur. Aber mir nicht hat gefallen. Kann nichts sehen, kann nicht raus. Nur lernen und beten. Wie Gefängnis.«
    Der Steuermann lachte schallend. »Also stimmt es? Du hast denen die Seiten aus der Druckerpresse geklaut? Und ein rundes Dutzend von den Betbrüdern halb totgeprügelt? Noch dazu, während sie gerade Bibeln gedruckt haben? Und alles bloß für ein kurzes Hochgefühl?«
    Ah Fatt ließ den Kopf hängen und sagte nichts, also hakte Mr. Crowle nach: »Na, komm schon – lass hören. Stimmt’s oder stimmt’s nicht, dass du’s aus Gier auf den schwarzen Dreck gemacht hast?«
    »Für Opium, Sir«, sagte Ah Fatt mit heiserer Stimme, »Mensch kann alles tun.«
    »Alles?« Der Steuermann griff in sein Hemd und brachte eine in Papier eingewickelte schwarze Kugel zum Vorschein, nicht größer als ein Daumennagel. »Also, was würdest du dann alles für das hier machen, China-Jack?«
    Ah Fatt stand so dicht neben ihm, dass Nil spürte, wie der Körper seines Freundes plötzlich erstarrte. Er wandte sich ihm zu und sah, dass seine Kiefermuskeln angespannt waren und seine Augen fiebrig glänzten.
    »Dann sag uns doch jetzt, China-Jack« – der Steuermann drehte das Kügelchen zwischen den Fingern –, »was wär dir das hier wert?«
    Ah Fatts Ketten rasselten leise, wie als Antwort auf das Zittern seines Körpers. »Was wollen, Sir? Ich habe nichts.«
    »Doch, doch, du hast was«, sagte der Steuermann fröhlich. »Du hast einen Bauch voll Ale. Fragt sich nur, wo du’s ablassen willst.«
    Nil stieß Ah Fatt mit dem Ellbogen an: »Hör nicht auf ihn – er will dich

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